Aslanbek. Ein harter Name für einen harten Text, der aus sehr vielen, sehr kurzen Absätzen besteht. Absätze, die wirken wie die verhashtagten Instagram-Posts der Figuren, mit denen sie Geschichten zu konservieren versuchen. Auf den verschiedenen Zeit- und Handlungsebenen verliert man sich beim Zuhören, aber es wird klar: Erzählerin Alex fährt mit ihrem Freund Lorenz nach Murmansk und auch Aslanbek aus dem tschetschenischen Grosny ist dabei. Es ist seine (Leidens)Geschichte, die hier erzählt wird.
Aslanbek sagt, dass er und sein Bruder auf das Dach des Hauses kletterten, um das Feuerwerk zu beobachten. Es war dunkel, und unten gerieten die Eltern in Panik, fanden die Kinder nicht. Als die erste Granate einschlug, waren Aslanbek und sein Bruder nicht auf dem Dach, sondern im Keller; erst da lernten sie den Unterschied zwischen Feuerwerk und Granate.
Lektorin Christiane Schmidt betonte, dass Bettina Wilpert im Jahr des Mauerfalls geboren wurde. Und obwohl selbstverständlich ist, dass Autorin und Erzählerin nicht gleichzusetzen sind, möchte ich behaupten: Die Erzählerin ist auch in ein wiedervereinigtes Deutschland hineingeboren und damit nach der letzten Gefahr vor Krieg. Aufgewachsen im als selbstverständlich empfundenen Frieden haftet allem Grauen etwas Unglaubwürdiges an. Ein Grund vielleicht, warum das Motiv des Spiels allgegenwärtig ist, zum Beispiel in „Spielzeugpanzern“.
Obwohl die Stimmung, die der Text evoziert, so grau ist wie die beschriebenen Landschaften und Städte, gibt es auch lustige Stellen. Weil Wilpert aber chiastisch vorgeht und diesen sehr harten und schnellen Text sanft und ruhig liest, bleiben die Lacher aus.
Die Figuren machen Selfies, vor ausgebrannten Autos zum Beispiel, in einer vom Krieg gezeichneten Stadt, einer „Stadt am Ende der Welt“. Es scheint, als wüssten sie selbst nicht, wie sie mit der Geschichte umgehen sollen, sie, die nichts wissen und nichts erfahren haben:
Lorenz und ich sind auf dem Friedhof der gestürzten Denkmäler. Wir zählen Stalins. Wir verzählen uns und gehen.