Amazon hat sich etwas ausgedacht: Bezahlung nach gelesenen Seiten. Arno Schmidt, James Joyce, Uwe Johnson, Ayan Rand, die hätten in diesem System nichts zu lachen gehabt; viel geschrieben, selten gelesen. Sich Zeit nehmen als Autor, eine Geschichte entwickeln? Vergiss es, zu langatmig. Sich Zeit nehmen als Leser, eine Geschichte entdecken? Vergiss es, zu anstrengend. Hey, aber das war doch schon bei der Shortstory so. Gleich rein in den Stoff. Hemingway hat gesagt: If I started to write elaborately, or like someone introducing or presenting something, I found that I could cut that scrollwork or ornament out and throw it away and start with the first true simple declarative sentence I had written. Ja, aber das hat er damit nicht gemeint! Lies es noch einmal, wenn es Dir nicht zu viel Text ist, und denk nach!
Nein, ganz sicher ist das auch keine Chance für die Literatur, Neues zu entdecken. Serielles Erzählen gab es schon vor 1001 Nacht. Amazon will kein inovatives narratives Konzept auf den Weg bringen. Amazon will mehr verdienen, weniger zu zahlen. Soll’n sie. Aber deswegen muss man das weder als lange ersehnte Möglichkeit für die Literatur falsch verstehen, noch ist das der Untergang. Es ist Kapitalismus. Streaming-Dienste braucht es so dringend, wie das nächste me too von fsg. Was passiert denn, wenn Ursula Paschukle für 9,99 so viel lesen kann wie sie will? Wird sie wirklich mehr lesen? Warum tut sie das dann nicht schon heute? Öffentliche Bibliotheken sind der beste Streaming-Dienst, den man sich wünschen kann! Die Umsätze der Anbieter, die werden steigen. Wer aber hat was davon?
Eben; ganz sicher nicht die Künstler. Um die geht es dabei nicht. Auch nicht um caritative Leseförderung.
Wer erst ein von Amazon eingeführtes Bezahlmodell als Motivation braucht, um neue Formen des Erzählens zu entwickeln, der hat es eh nicht besser verdient, als dass sich sein Zeug demnächst auf Listen mit den meistgelesenen Seiten auf Rang 4711 wiederfindet.