Erste Bücher: Prosa- und Lyrikdebüts Frühjahr 2015, Kristine Bilkau

Auch im Frühjahr 2015 erscheinen wieder viele spannende Prosa- und Lyrikdebüts. Einige von ihnen stellen wir in den kommenden Wochen vor. Den Autoren haben wir ein paar Fragen zur Literatur und Person gestellt.
Heute: Kristine Bilkau

»Isabell und Georg sind ein Paar. Ein glückliches. Wenn die Cellistin Isabell spätabends von ihren Auftritten mit dem Orchester nach Hause geht oder der Journalist Georg von seinem Dienst in der Redaktion auf dem Heimweg ist, schauen sie oft in die Fenster fremder Wohnungen, dringen mit ihren Blicken in die hellen Räume ein. Bei abendlichen Spaziergängen werden sie zu Voyeuren. Regalwände voller Bücher, stilvolle Deckenlampen, die bunten Vorhänge der Kinderzimmer. Signale gesicherter Existenzen, die ihnen ein wohliges Gefühl geben. Das eigene Leben in den fremden Wohnungen erkennen. Doch das Gefühl verliert sich.

Mit der Geburt ihres Sohnes wächst nicht nur ihr Glück, sondern auch der Druck und die Verunsicherung. Für Isabell erweist sich die Rückkehr in ihren Beruf als schwierig: Während des Solos zittern ihre Hände, nicht nur am ersten Abend, sondern auch an den folgenden. Gleichzeitig verdichten sich in Georgs Redaktion die Gerüchte, der Verlag würde die Zeitung verkaufen. Währenddessen wird ihr Haus saniert. Im Treppenhaus hängt jetzt ein Kronleuchter, im Briefkasten liegt eine Mieterhöhung. Für die jungen Eltern beginnt damit ein leiser sozialer Abstieg. Isabell und Georg beginnen mit einem Mal zu zweifeln, zu rechnen, zu vergleichen. Jeder für sich. Je schwieriger ihr Alltag wird, desto mehr verunsichert sie, was sie sehen. Die gesicherten Existenzen mit ihren geschmackvollen Wandfarben sagen jetzt: Wir können, ihr nicht. Was vertraut und selbstverständlich schien – die Cafés, Läden, der Park, die Spielplätze mit jungen Eltern –, wirkt auf einmal unzugänglich. Gegenseitig treiben sich Isabell und Georg immer mehr in die Enge, bis das Gefüge ihrer kleinen Familie zu zerbrechen droht.

Kristine Bilkau zeichnet in ihrem Debütroman »Die Glücklichen« das präzise Bild einer nervösen Generation, überreizt von dem Anspruch, ein Leben ohne Niederlagen zu führen, die sich davor fürchtet, aus dem Paradies vertrieben zu werden.«

 

Die Gluecklichen von Kristine Bilkau

 

Erster Satz (des Buches)?
Es ist dunkel und der Abendverkehr schiebt sich langsam durch die Straße vor dem Haus, die Lichter der Autos schimmern hinter dem Plastik­vorhang, die gesamte Außenwelt verschwimmt hinter der Plane und dem Baugerüst.

Was bedeutet literarische Tradition für Sie?
Je nach dem, woran ich arbeite, finden mich bestimmte Autorenstimmen aus der Vergangenheit. Sie begleiten mich auf meiner Suche nach Form und meiner Arbeit am Text und geben mir Rückhalt, wenn ich ihn brauche.

Die Idee von Tradition liegt für mich außerdem im Weitergeben: Ich stand vor dem Bücherregal meiner Mutter und nahm danach einem Stapel abgegriffener Taschenbücher mit nach Hause, darunter Marlen Haushofer und Anna Seghers, die meine Mutter in den 60ern und 70ern gelesen hatte. Wer weiß, was mein Sohn sich eines Tages aus meinem Regal nehmen wird?

Was wäre für Sie das größte Unglück?
Meine Romanfiguren würden sagen: Instabilität

Was möchten Sie sein?
Manchmal ein wärmendes Bett. Manchmal der Stoffhund meines Sohnes (er verwöhnt ihn mit liebevoller Aufmerksamkeit, wir werden bald einen echten Hund brauchen).

Wem erzählen Sie Ihre Geschichte?
Allen, die sich manchmal ganz im Stillen fehl am Platz fühlen und befürchten, sie wären die einzigen.

Was soll man nach der Lektüre (Ihres Buches) machen?
Weiterlesen, zum Beispiel Lydia Davis oder A.L. Kennedy, außerdem: Falls man ans Schreiben denkt, damit anfangen!

Ihre gegenwärtige Geistesverfassung?
Ruhig und aufgeräumt, so aufgeräumt wie mein Schreibtisch, auf dem Platz für Neues ist.

 

»Die Glücklichen« ist erschienen im Luchterhand Verlag

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