Laura Anton: Holzhausen (Auszug)

Kurz vor Schluss des ersten Leseblocks am Sonntag wird es politisch mit Laura Antons Textauszug Holzhausen.

Lektorin Meike Herrmann legt gleich den Finger in die Wunde, in die Laura Anton mit ihrem Text Holzhausen formstark Salz reibt. Holzhausen ist der Name zahlloser Dörfer im deutschsprachigen Raum. Dörfer, in denen zu großen Teilen eines regiert: Tristesse. Eine Tristesse, die die Bewohner*innen gestalten, in beiden Sinnen der Wendung, aktiv wie passiv.

asbest und stirnwolken
apathische indolenz die diagnose 
reichsbürger get togethers 
alles gut hier wir brauchen alles was wir haben 
hier unter uns 

Laura Anton setzt die Tristesse der Dörfer in Szene. Ihr Text ist strukturiert wie ein Gedichtzyklus. Jeder Abschnitt ein Schlaglicht, jedes für sich anders, jedes einzigartig, und zusammen ergeben sie ein Bild, das für alle, die in einem dieser Dörfer aufgewachsen sind – wie mich –, schreien möchte.

Ebenfalls der Lyrik entnommen ist die Form ihrer Sätze. Die Interpunktion ist auf das Allernötigste beschränkt, die Abschnitte sind durchweg in Kleinschreibung verfasst, wie Verse reihen sich die Sätze aneinander. Was zu Beginn der Lektüre noch Verwirrung oder zumindest Verwunderung hervorruft, entpuppt sich schnell als passender Griff. Enge und Ausweglosigkeit des Mikrokosmos Dorf fängt Holzhausen perfekt durch seine Form ein. Gleichzeitig durchweht den Text eine Vielstimmigkeit, die nie Gefahr läuft, zu einseitig zu sein.

Holzhausen ist ein beeindruckender Text, der Lust auf mehr macht. Sein gewagter Ritt durch die Gattungen ist keine Effekthascherei, ganz im Gegenteil: Hier werden Form und Inhalt miteinander ins Gespräch gebracht. Laura Anton präsentiert damit einen politischen Text, der die engen Horizonte des Dorflebens mit den oft noch engeren Möglichkeitshorizonten der Menschen dort zusammenbringt. Der kein Abgesang ist, sondern ein Resonanzraum, in dem alle Aspekte Platz haben. Auch wenn der negative Vibe hier die stärkeren Akzente setzt – aber das werden ihr wohl nur wenige verübeln.