New Readings | Jessica Lind: Mama

Jessica Lind gewann 2015 den 23. open mike mit ihrem Text »Mama«, vor Kurzem erschien ihr gleichnamiger Debütroman bei Kremayr & Scheriau – eine Weiterentwicklung der Kurzgeschichte, die sie damals beim open mike las. Wir haben Jessica ein paar Fragen dazu gestellt.

Jessica Lind
© Mercan Sümbültepe

Amira wünscht sich ein Kind. Als sie schwanger wird, gesellen sich Ängste und Sorgen zu ihrer Vorfreude. Wie wird sie die Mutterschaft verändern? Ein Ausflug zur abgelegenen Waldhütte ihres Partners Josef bringt nicht die ersehnte Entspannung: Rätselhafte Begegnungen häufen sich, Raum und Zeit scheinen außer Kraft und Amira weiß nicht, ob sie ihrer Wahrnehmung noch trauen kann. Was ist Traum, was Realität? Zwischen tiefer Verunsicherung und inniger Mutterliebe beginnt ein Ringen um Selbstbehauptung und Unabhängigkeit – denn der Wald scheint seine Gäste ungern wieder freizugeben …

Jessica Lind wandelt in ihrem Debütroman stilsicher zwischen den Genrewelten. Was als klassische Beziehungsgeschichte beginnt, entfaltet Seite für Seite einen subtilen Horror. Lind taucht tief in die Psychologie der Protagonistin ein, spielt souverän mit dem Unheimlichen und entwickelt eine erzählerische Sogwirkung, die niemanden unberührt lässt. 


Was schoss dir durch den Kopf, als du dein Debüt zum ersten Mal in den Händen gehalten hast?
Das Gleiche wie damals, als mir mein Neugeborenes auf den Bauch gelegt worden ist: Ist alles da, wo es sein soll? Gefällt es mir überhaupt? Dann, eine Sekunde später: Es ist da, es ist da, endlich ist es da!

Wie lautet der erste Satz deines Debüts?
»Bleib stehen!«

Was gefällt dir am besten am Schreiben? Und was findest du am unangenehmsten?
Beim Schreiben entstehen Welten. Ich bin eigentlich nicht besonders neugierig, außer, wenn ich schreibe oder lese. Dann will ich Dingen auf den Grund gehen. Tief eintauchen, auf eine Art und Weise, die nicht nur rational ist. Wenn es gelingt, löst sich das eigene Ich auf und resoniert mit der Welt. Ich bin nicht sonderlich spirituell, aber Schreiben hat schon etwas Magisches. Die Tür zu diesem Schreibparadies aufzubekommen, kann aber mitunter sehr mühsam sein. Ich fange viele Texte an, die ich dann verwerfe, weil sie einfach nicht lebendig werden wollen. Das sprichwörtliche weiße Blatt anzustarren, zermürbt mich sehr, weil meine Schreibzeit, seit ich ein Kind habe, so begrenzt ist. Schreiben ist der Himmel und die Hölle zugleich.

Wenn du könntest, welchen Rat würdest du deinem Ich von vor zehn Jahren geben?
Vergleiche dich nicht so viel mit anderen. Diesen Rat zu befolgen, fällt mir aber heute noch schwer.

Bereust du etwas? Was?
Nach dem Gewinn vom open mike habe ich mich sehr unter Druck gesetzt. Ich hatte das Gefühl, den Fuß in der Tür zu haben und wollte sie unbedingt aufbekommen. Ich dachte, ich muss zu einem großen Verlag und war auch bereit, mein Schreiben an den Markt anzupassen. Scheuklappenartig habe ich mein Ziel verfolgt, glücklicherweise ist mir das Leben dazwischen gekommen. Mit Jessica Hausner habe ich an Little Joe gearbeitet und von ihr gelernt, dass man als Künstlerin seine Vision beschützen muss. Mit Tanja Raich und Kremayr & Scheriau habe ich einen Verlag gefunden, der gerne ein Wagnis eingeht. Und so hat der Roman Mama doch noch seinen Weg aus der Schublade ans Tageslicht gefunden.

Mit welchem welchem*r Autor*in würdest du gern mal ein Bier trinken gehen?
Ich hätte gern eine nette Runde mit Zadie Smith, Margaret Atwood und Agota Kristóf.


Jessica Lind, geboren 1988 in St. Pölten, Drehbuchstudium an der Filmakademie Wien, lebt in Wien. Autorin des Science-Fiction-Films Rubikon (gemeinsam mit Regisseurin Magdalena Lauritsch). Als Dramaturgin betreute sie Little Joe von Jessica Hausner, Premiere in Cannes 2019. 2015 Gewinnerin des 23. open mike mit der Kurzgeschichte Mama, auf der dieser Roman aufbaut. 2016 Achensee.Literatour Stipendium. 2017 Stipendiatin des 21. Klagenfurter Literaturkurses, 2019 Stipendiatin der Schreibwerkstatt der Jürgen Ponto-Stiftung.

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