Muri Darida: Neue Leichen braucht das Land

Muri Darida
© Natalia Reich

Den Auftakt macht Muri Darida mit seinem Text »Neue Leichen braucht das Land«. Schauplatz ist ein ländliches Ungarn im Familienheim, in dem sich die Verwandten versammelt haben und die Zeit vertreiben. Der Onkel Sanyi sitzt im Sessel, sieht fern und erzählt von seiner Vergangenheit, die Medizinstudentin Zsófi versucht, für ihre Prüfung zu lernen. Und ihr Cousin Csongi beschließt, schießen zu lernen. Als »Recherche«, sagt Csongi seinem Onkel. Aus Rache und der Hoffnung auf Gerechtigkeit, denkt Csongi später, dass ein Mord geplant sei. Der Onkel begrüßt Csongis Vorhaben:

»Das Land braucht mehr Jäger und vor allem mehr Leichen.« 

Zsófi, die Teil eines Schießvereins ist, nimmt sich der Sache an und zeigt Csongi mit einem Luftgewehr, wie man schießt. Was dann passiert, bleibt etwas unklar, ein Schuss löst sich, es gibt einen Rückstoß. Darida beschreibt die Szene detailliert und bildhaft:

»Das Gesicht wurde wattig, wie beim Zahnarzt, ein unfassbar langsamer Tornado mit einem Knoten als Zentrum schob sich von Csongis Bauch nach oben in die Brust, die Gedanken veränderten ihren Aggregatzustand und traten aus Csongis Schädel, umkreisten ellipsenförmig den Kopf.« 

Es scheint jedoch niemand zu Schaden gekommen sein, der Schock löst sich in Luft auf. Die Mordpläne bleiben undurchsichtig.

Besonders interessant ist die Beziehung zwischen Csongi und Zsófi, die sich einerseits nah und ein eingespieltes Team in der Familie sind, andererseits scheinen unter der Oberfläche Konflikte zu brodeln. So klingt an, dass Csongi trans ist und Testosteron-Gel aufträgt, womit Zsófi offenkundig ein Problem hat: Csongi solle »mit den Hormonen aufhören, bevor es zu spät ist«. Es scheint allerdings auch, als sei sie hauptsächlich in Sorge um Csongi: »Sie hassen euch doch«, sagt sie.

Die Jurorin Roxane Dänner, die den Text ausgewählt hat, kündigt an, der Text oszilliere »zwischen Ernst und Slapstick«. Die Slapstick-Elemente kommen insbesondere im Vortrag heraus. Darida passt das Lesetempo der Geschwindigkeit des Textes an, wird mal schneller, mal langsamer, mal energisch, mal sanft. Ein Text, der von einer Realität voller Gewalt erzählt und doch immer wieder zu Momenten voller Zartheit findet. Ein gelungener Auftakt für diesen 32. open mike.

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