Kameliya Taneva schlägt in ihrem Gedichtzyklus »wir sammeln geliehene samen« das Tierlexikon auf. Kleine, für das menschliche Auge meist eher unscheinbare Tiere rücken hier in den lyrischen Fokus. Käfer und Falter, Termiten und Hornissen, Pilze und Algen sowie die Fledermaus werden von einer entrückt wirkenden Stimme beschworen.
Doch es geht hier nicht um Beschreibungen, nicht um die Realität der Tiere an sich. Das lyrische Sprechen nähert sich den tierischen Lebensformen aus der Position einer naiven Menschlichkeit, die das Anderssein des Fremden aus einem eben zutiefst menschlichen Blick bestaunt. So steht immer die Verbindung zur menschlichen Kultur als alles überwölbendem Anthropozän im Mittelpunkt.
Die Gedichte selbst sind in sich geschlossen und von einer fließenden Rhythmik mit zahlreichen, unverhofft beim lauten Lesen aufscheinenden Binnenreimen geprägt. Die verschobene, von Enjambements geprägte Form versteckt diese Rhythmik, schirmt das wabernde Leben im Inneren der strengen Form ab.
was wir ahnen wenn wir ahmen nach
und nach gewächse gestalten die es
wissen den mangel zu falten was naht
oder mahnt durch die brüche und
schlitze einer löchrigen sapiensspitze
Das finale Gedicht »biomimikry« fügt die letzten Zeilen, die jeweils abgesetzt am Ende der Gedichte stehen, zusammen. In dem Gedicht liegt die Poetik des Zyklus offen, zeigt, weshalb sich die Natur in sich versenkt, während der Mensch sie von außen bestaunt, berührt, sie sich am Ende einverleibt. Der Verlust von Biodiversität ist zu einem für den Menschen lebensbedrohlichen Zustand geworden, »wir sammeln geliehene samen« besingt die Lücke zwischen Kultur und Natur im ganz Kleinen und zeigt die Wunde, die die menschliche Gier hier aufgerissen hat.