Eser Aktay: Das Segensmahl

Eser Aktay
© Natalia Reich

Mikroaggressionen und Grenzüberschreitungen streifen unseren Erzähler neben Bass und Bier, welche weich in Bettlaken bei Anbruch des folgenden Tages gewogen werden. Liegend, neben dem warmen Körper eines anderen Mannes, vibriert die Todesbotschaft. Ein Anruf reicht als Erwachen. Die Rückkehr in einem startenden Flugzeug, in einem brummenden Auto, von Schweigen eingenommen.

»Du musst wissen, wo du herkommst«, sagte er, »sonst weißt du nicht, wohin du hingehen willst.« Babas Worte werden lauter, sie bekommen eine Dringlichkeit.

Die beruhigende Stimme Aktays schwingt von der rot beleuchteten Bühne in den Heimathafen hinein. Eine vibrierende Ode an die Rückkehr nach Izmir, angetrieben durch den Tod einer Großmutter. Wir begleiten einen Mann, dem die Mächtigkeit der türkischen Sprache auf der Zunge bricht und der durch die Entfernung von den Eltern getragen wird. Ein Anruf. Ein homegoing in ein alevitisches Dorf mit undurchlässigen Erinnerungen, bis die Seele erneut mit dem göttlichen Licht verschmilzt, aus dem die Seele hervorgegangen war. Ein Beerdigungsritual.

In einprägsamen Abschnitten beschreibt Eser Aktay eine Sehnsucht nach Geborgenheit und Halt. In und zwischen den Zeilen werden wir mit einer Distanz vertraut gemacht, die zwischen Eltern und Geschwisterkindern zäh klebt. Ein Text, der den Wunsch nach Nachschub aufkommen lässt, und der wohl eine Metapher für viele der Diaspora darstellt. Aktay kreiert mit seinem Text den Anfang einer Emulsion aus Identitätspolitik und Familiengeschichte. Einschneidend sind hier die wabernden Beziehungsdynamiken, in die wir eingeladen werden. Eine Hauptfigur und ihre Familie, die man sehnsüchtig näher kennenlernen möchte.

Chris Möller aus der Vorjury beschreibt Eser Aktays Text als Intro eines Spielfilms, was ich vollkommen unterschreiben kann. Was heißt »wunderschön und eröffnend« auf Türkisch?

Einmal war ich im Zimmer nebenan, da hörte ich Anne zu Baba sagen: Sein Türkisch –, es ist gebrochen. Du kannst es nicht reparieren. Du musst ihn lassen.

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