Vater, Mutter, Kind – so lautet die Definition der Kleinfamilie, wie sie in zahllosen Büchern und Kinderliedern vorkommt. Ein Dreieck mit Verbindungen von jedem Punkt zum anderen, eine Formation, so einfach wie komplex, sobald sie mit Leben gefüllt wird.
»warte und | warte | Asche« von André Lourenço versenkt sich tief in die Verbindung des lyrischen Ich zu seinen Eltern, zu Mutter und Vater, durch das Prisma des Todes. Stotternd, tastend bewegen sich die Verse voran, um gleich wieder einen Schritt zurück zu machen. Das Langgedicht ist eine Suche, eine Versenkung in die Erinnerung an die Eltern, an Liebe, an Momente, aber auch an Konflikte und Unverständnis.
ich bin verschwunden mit der Nacht auf
Wegen und Gassen im Schatten. ich bin
unterwegs zurück oder auch nicht. wo
war Zuhause?
Unverstanden bleibt vor allem der Vater, der sich als Körper manifestiert, dessen Inneres dem Sohn hermetisch verschlossen bleibt. Offen und warm zeigt sich dagegen die Mutter, deren Liebe die Lücke des Vaters auszubalancieren scheint. Und doch bleibt hier vieles im Dunkeln, bleibt das suchende Sprechen des Textes unerfüllt – bis zum Schluss bei der Einäscherung der Eltern die Realität in den Text hereinbricht. Dieser Einbruch manifestiert sich in der Form. Was zuvor in strengen Blöcken angeordnet war, bricht auseinander, zerfällt in seine Einzelteile, fliegt wie Asche im Wind davon.
»warte und | warte | Asche« von André Lourenço geht tief in die Erinnerung und das eigene Selbst, gibt der Arbeit der Erinnerung eine Sprache, die im Angesicht des Todes nach Halt sucht. Die Vergeblichkeit der Suche steckt in jedem Wort des Langgedichts, die Verzweiflung, der Zweifel sind in jedem Bruch des Sprechens geborgen und werden im klaren Vortrag greifbar.