New Readings | Theresia Töglhofer: Tatendrang

Theresia Töglhofer nahm 2015 mit dem Text »Das pure Leben« am 23. open mike teil. Vor Kurzem erschien ihr Debüt Tatendrang im Residenz Verlag. Wir haben Theresia ein paar Fragen dazu gestellt.

Theresia Töglhofer
© Heike Steinweg

Vorschautext

Tatendrang ist der Roman einer jungen Generation, die das vereinte Europa zu ihrer Spielwiese machen will und dabei selbst zum Spielball fragwürdiger Polit-Strategien wird.
Nach dem Studium hat Hanna Fürst einen der begehrten Praktikumsplätze in der Europäischen Außenzentrale ergattert und ist fest entschlossen, diese Chance zu nutzen. Ihre »Arbeitsgruppe Zukunft«, zu der auch die NGO-Aktivist*innen Lej und Jakov gehören, bekommt die Aufgabe, die friedliche Annäherung von zwei verfeindeten Nachbarstaaten am Rande Europas zu befördern. Doch Hanna verliert sich im rasanten Arbeitstempo und in der Grauzone zwischen Intrigen und Netzwerken. Sie erliegt der Faszination der charismatischen Lej, die als Einzige einen echten Plan zu haben scheint. Als sich die Arbeitsgruppe dagegen wehrt, von einem Krieg eingeholt zu werden, der älter ist als ihre Mitglieder, macht sie sich nicht nur die Zentrale, sondern auch die beiden Nationalstaaten zum Feind …


Was schoss dir durch den Kopf, als du dein Debüt zum ersten Mal in den Händen gehalten hast?

Oh! Ich habe ein Buch geschrieben. (Man schreibt ja nie ein Buch. Man schreibt immer nur eine Zeile, einen Absatz, ein Kapitel, oder löscht sie wieder. Der Satz funktioniert erst in der Vergangenheitsform.)

Wie ist die Idee zu deinem ersten Buch entstanden?

Ich bin an einzelnen Worten und Eindrücken hängengeblieben und daraus sind langsam Szenen entstanden. Der »Stoff«, über den ich schreiben wollte – die Brüsseler Europa-Bubble und junge Menschen, die versuchen, darin Fuß zu fassen – war von Anfang an da, aber die Geschichte und ihre Protagonist*innen haben sich im Laufe des Schreibprozesses stark verändert. Es gab so viele – nicht nur thematische, auch sprachliche – Aspekte, die ich unendlich interessant fand, und die Arbeit an dem Roman war für mich die richtige Form, um sie besser zu verstehen.

Wie nimmst du rückblickend die Zeit zwischen deiner Teilnahme am open mike und der Veröffentlichung deines Debüts wahr?

Wie eine Wanderung durchs Sumpfgebiet. In der Nähe von Osijek, wo ich damals gelebt habe, gibt es eines der größten noch erhaltenen Sumpfreservate Europas, das Kopački rit. Damit konnte ich mich beim Schreiben sehr identifizieren: Es war, als würde ständig der Boden unter den Füßen nachgeben. Ich wusste nicht, ob und wie ich die Geschichte erzählen kann, ob ich das Manuskript überhaupt zu Ende bringe, und ob aus dem Manuskript jemals ein Buch wird. Alles hat viel länger gedauert als gedacht. Rückblickend würde ich sagen: Ich bin in dieser Zeit zur Autorin geworden. In dem Sinne, dass das Schreiben zu einem festen Bestandteil meines Alltags wurde.

Was gefällt dir am besten am Schreiben?

Wurde ich als Kind gefragt, was ich werden möchte, wenn ich einmal groß bin, habe ich immer brav »Lehrerin« gesagt. Insgeheim habe ich aber davon geträumt, den »Alles-Beruf« zu ergreifen: Lehrerin vielleicht am Vormittag, Pilotin am Nachmittag und Jazzmusikerin am Abend. Und am nächsten Tag wieder etwas ganz Anderes. Autorin zu sein, ist tatsächlich nah dran am »Alles-Beruf«, weil man sich in verschiedene Lebensrealitäten hineinversetzen muss, und das empfinde ich als sehr bereichernd. (In Tatendrang habe ich einer meiner Figuren – Henrik – diese Worte in den Mund gelegt; er ist aber kein Autor, sondern Regisseur.)

Und was findest du am unangenehmsten?

Dass es unterm Strich eine eher einsame Angelegenheit ist. Man verbringt sehr viel Zeit am Schreibtisch, mit sich selbst und dem Text (und immer wieder mit der Frage: Was mache ich da überhaupt?). Das kann sehr schön und erfüllend sein, aber manchmal ist es auch verdammt schwierig.

Welche anderen Künstler*innen prägen dein Schreiben?

Ich möchte gerne so schreiben, wie Johann Sebastian Bach Fugen komponierte. Mir ist klar, dass das ein weiter Weg ist. Aber Schreiben als Komposition, das interessiert mich.

Welche Songs würde man auf dem Soundtrack zu deinem Debüt finden?

Tatsächlich habe ich während der Arbeit an Tatendrang immer wieder Lieder gesammelt, von denen ich das Gefühl hatte, dass sie mit der Geschichte in Verbindung stehen. Dazu zählen ganz verschiedene Interpreten und Stücke, von Louis Primas »Pennies from Heaven« über »Queen Drifter« von Sophie Hunger bis hin zu »Tôt ou tard s’en aller« von Francis Cabrel. Toto Cutugnos »Insieme« durfte natürlich auch nicht fehlen. Die ganze Playlist findet sich hier.

Vielen Dank für deine Antworten.


Veranstaltungstipp: Am 2.10. liest Theresia Töglhofer aus ihrem Debüt in der Berliner Lettrétage. Moderieren wird Journalistin und ehemalige open mike-Bloggerin Isabella Caldart.


Theresia Töglhofer, geboren 1985 in Graz. Studium der Geschichte und der Internationalen Beziehungen in Graz und Paris, dann Stationen in Belgrad, Brüssel, Wien, Osijek und Berlin. Analystin für die Außen- und  Erweiterungspolitik der EU. Zahlreiche Stipendien und Auszeichnungen, u. a. 2015 Jury-Preis für Prosa beim 23. open mike, 2017 Stipendiatin des Klagenfurter Literaturkurses, 2019 Schreibwerkstatt der Jürgen-Ponto-Stiftung und 2023 Shortlist des Wortmeldungen-Förderpreises. Theresia Töglhofer lebt in Berlin und in der Oststeiermark. Tatendrang ist ihr erster Roman.

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