Frieda Paris nahm 2020 mit dem Text »Dorn, Stäbe, Bügel« am 28. open mike teil. Vor Kurzem erschien ihr Debüt Nachwasser bei der edition AZUR. Wir haben Frieda ein paar Fragen dazu gestellt.
Vorschautext
Was ein Gedicht sein kann? Alles. Frieda Paris’ Debüt Nachwasser ist durchlässig, tiefschichtig, auffächernd. Hier schreibt eine Schreibende, die den Einflüsterungen ihrer Wortmütter ebenso lauscht wie denen eines Vogels, der auf ihrer Schreibschulter ein Nest gebaut hat. Der Text lässt seine Leserinnen und Leser an der Entstehung eines langen Gedichts teilhaben, nimmt sie mit an den SCHNEIDETISCH, wo alles zusammenfindet: gestrandetes Poesiegut, Tränensalz, Wörter der Kindheit – und Zettelrückseiten aus dem Nachlass der großen Wortmutter Friederike Mayröcker. Unbeirrt legt die Autorin Sätze für sich und die Lesenden auf die Kante des Tischs, hin zu einem einzigen lebenslangen Satz, in der Hoffnung, er möge – irgendwann – auf jemanden zuhalten.
Was schoss dir durch den Kopf, als du dein Debüt zum ersten Mal in den Händen gehalten hast?
Ich bekam mein Vorabexemplar während eines Verlagsbesuches in Berlin Anfang 2024. Als wäre eine abstrakte Malerei plötzlich ins Gegenständliche übergegangen. Dieses Ding nach eineinhalb Jahren endlich in den Händen zu halten, war schräg. Glücklicherweise ist Verlagsmutter Anna Jung in dem Moment bei mir gewesen; ich war leicht entrückt.
Wie ist die Idee zu deinem ersten Buch entstanden?
Alles ist schon da gewesen, NACHWASSER entstand nicht punktuell. Dieses Langgedicht ist die Summe (das Summen) vieler Prozesse, Begegnungen, Lektüren. Ein Raum aus Aurevoirs und Avenirs.
Wie nimmst du rückblickend die Zeit zwischen deiner Teilnahme am open mike und der Veröffentlichung deines Debüts wahr?
Erst einmal ist es schön gewesen, die Teilnehmenden im Juni 2021 endlich persönlich kennengelernt zu haben. Wir sind ja nie im Heimathafen gewesen, wir waren der Kacheljahrgang (2020), der Wettbewerb hat digital stattgefunden. Am Schermützelsee hat sich die Freude endlich eingelöst. Viele Kennenlernen, drei intensive Tage am Wasser, erfolgreiches Einparken von Tretbooten am Ufer.
Seither sind viele Bücher entstanden (z.B. von Evan Tepest, Franziska Gänsler, Josephine Soppa) und ich freue mich, dass ich mit NACHWASSER nachgezogen bin. Am Bootshaus hat Helge Pfannenschmidt (Vorjury Lyrik) uns Lyriker:innen gratuliert. Wir haben Gedichte besprochen, uns über den Betrieb ausgetauscht, während oben auf der Terrasse die Prosa, die Agenturen …
Ende 2022 habe ich Helge dann die ersten (und einzigen Seiten) NW geschickt. Anfang 2023 (Dreikönigstag) kam die Antwort, ob wir denn ein Buch daraus machen mögen. Damit hatte ich nicht gerechnet, ich ging eigentlich nur von Feedback aus. Von da an war kein Rudern, kein Zurück mehr, Paris hat bei AZUR ein Nest gefunden.
Was gefällt dir am besten am Schreiben?
Dass die Art, wie ich wahrnehme, darin geborgen wird, sein darf.
Und was findest du am unangenehmsten?
Das viele Sitzen. Auf Honorarnoten warten.
Welche anderen Künstler*innen prägen dein Schreiben?
Ein Chor aus Differenzen und Schnittmengen. Darunter Lehrende und diejenigen, die ich lese. In NW sind sie alle versammelt. Empfehle: hinein in den Text, ich habe mehrere Eingänge und Inseln gebaut, dass wir nicht untergehen, in diesem langen Gedicht.
Welche Songs würde man auf dem Soundtrack zu deinem Debüt finden?
Es ist ein Song, My friend the forest von Nils Frahm. Oder als Stelle im Text:
tanze zu Tasten, My friend the forest
bin ich, wenn ich in größtmöglicher Einsamkeit
tanze oder lese, noch allein?
bin ich nicht Musik, Wort geworden
das Geräusch der Tasten, sie tasten,
tasten mich ab (immer Maschinerie, innere)
(NW, S.75)
Frieda Paris, MA of Arts, geboren 1986 in Ulm. Abitur und Gesellin zur Damenschneiderin in Wald. Seit 2010 lebt sie in Wien. Dort studierte sie Theater,- Film und Medienwissenschaft sowie Sprachkunst. Paris entwickelt Hörspiele (zuletzt HERZBEFELLT, ein Nachrufen) und Gedichte, immer nah am Material. 2020 war sie Finalistin für den 28. open mike. Nachwasser ist ihr Debüt.