Dieses Jahr durften wir bereits einigen Texten über Tod und Verlust lauschen – Wovon wir reden ist für mich der beste. Nils Nußbaumer erzählt anmutig von den Brüdern Tone und Simon, die ihre Schwester verloren haben. Und damit ein Stück weit auch ihre Mutter, die seither nicht mehr das Schlafzimmer verlässt. Eine sensible Geschichte über Geschwisterliebe und kindliches Trauern.
Nils Nußbaumer liest, wie er schreibt: melodisch und eingängig. Die Wärme der Sonne am Ufer, an dem mehrere Kinder sitzen und auf ihre jeweils eigene Weise über Trauer sprechen, ist förmlich spürbar. Die Schönheit der Szenerie ist tröstlich und unerträglich zugleich. Es wird nach Antworten gesucht auf das Unfassbare: Die Schwester ist tot, wer ist schuld? Etwa der kleine Bruder, weil er »manchmal gemein« zu ihr war? Die Kinder zanken, da manche von ihnen früher mit dem Thema Tod konfrontiert werden als andere. Und so sind einige fasziniert davon, fast sogar neidisch auf die Leiderfahrungen anderer. Die anderen aber sind mit dem eigenen Verlust überfordert.
Simon schöpfte Wasser aus dem Fluss und wusch sich das Gesicht.
»Der denkt die ganze Zeit, alles passiert wegen dem.« Er wandte
sich wieder zu mir. »Dreht sich nicht alles um dich!«
Sprachlich hat der Text hohen Wiedererkennungswert. Schlicht und solide, ganz ohne Experimente, überzeugt er besonders mit den starken Dialogen zwischen den verletzten Kindern – und verzichtet dabei angenehmerweise auf Kitsch und Pathos.
»Kommt sie dann aus dem Schlafzimmer raus?«
Gerade die letzte Szene im Bett der Mutter, in der Simon aufzählt, was und wen er lieb hat auf der Welt und im letzten Moment doch noch den Bruder nennt, ist in seiner Schnörkellosigkeit berührend und schön. Ich persönlich habe mich sehr gefreut über diesen Text, in dem sich endlich dem Thema Verlust und Schuld unter Geschwistern gewidmet wird – schließlich sind Brüder und Schwestern die Menschen, die uns im Leben am längsten begleiten.