Christina Poggel entführt uns in Das linkshändige Hündchen auf eine skurrile Insel, auf der das Gesetz der Hundezucht herrscht. Eine Parabel über die Andersartigkeit in einer kalten, ökonomischen Welt.
Wie eine Kamera aus der Vogelperspektive zoomt eine auktoriale Erzählperspektive auf eine Insel, eine ganz eigene Welt. Bekannt ist sie für die Hundezucht. Die seltensten und außergewöhnlichsten Tiere locken viele Besucher:innen jedes Jahr an, die die Lebewesen begutachten wie Kunstobjekte und um ihre Wertigkeit feilschen. Die Hundezucht steht unter strengen Gesetzen, die Gnadenlosigkeit verlangen. Das Hündchen von Züchterin Martha jedoch hat einen Makel. Einen Makel, der es wertlos macht. Denn es gibt Pfötchen mit der linken statt – wie vorgeschrieben – mit der rechten Pfote.
Das Phänomen der Rechtshändigkeit zeichnete die Inselrasse, gemeinsam mit dem Menschen, unter allen Tieren aus. Dieses edle Betragen war weitaus mehr wert als eine noch so lange, schmale Nase und ließ sich auch durch Kreuzung nicht auf andere Rassen übertragen.
Obwohl das Hündchen »genetisch einwandfrei« ist, ist es also fehlbar. Das Gesetz verlangt ein hartes Regiment. Um dem zu entgehen, wollen Martha und ihre Schwester das Hündchen in der Nacht auf das Festland bringen und unter der Hand verkaufen. Nicht, dass am Ende die ganze Zucht in Verruf gerät! Denn eine Abweichung von der Norm ist nicht gestattet.
Es ahnte wohl, dass es zu spät war, und doch war seine rechte Pfote noch während der stürmischen Überfahrt erhoben und Halt suchend gegen das Eichenholz gepresst.
Das Hündchen ist ein Makel, der nun von der Insel geschafft wird. Das Gehorsam der Hunde, symbolisiert durchs Pfötchengeben, hier aber mit der falschen Pfote, ist ein simples, dennoch eingängiges Bild für die Abweichung von der Norm. Die Tiere werden zu Sammlerstücken, verlieren ihre Wertigkeit und müssen verschwinden.
Sprachlich transportiert uns Poggel in ein anderes Jahrhundert, erinnert die detaillierte und bedachte Beschreibung an den klassischen Realismus. Dazu passt die Hundezucht als bezeichnendes Motiv für Spießbürgertum und hat ein Geschmäckle von Kleingartenvereinen. Die Verweise auf die »Rassenreinheit« und Genetik erzeugen dagegen eine NS-Assoziation und stehen in klarer Tradition des 20. Jahrhunderts. Selbstverständlich landet das Hündchen in einer Kiste aus Eichenholz, das deutscheste aller Hölzer.
Der Lektor Sebastian Guggolz, der den Text auswählte, nannte als Referenz Franz Kafkas Die Kreuzung, und die strenge Einhaltung dieser grotesken, vom Sinn befreiten Gesetzen hat durchaus ein kafkaeskes Moment.
Stil und Inhalt harmonieren kohärent miteinander und runden diese Kurzgeschichte ab, deren antiquierter Zugang auf Brüche verzichtet und damit auf Sicherheit setzt, allerdings auffällt zwischen all den Ich-Erzähler:innen der anderen Texte und so eindeutig von anderen Beiträgen des Wettbewerbs abweicht.