Susanne Romanowski Geschichte Die Heimsuchung beginnt mit einem realistischen Setting, vor allem für Bewohner:innen von Großstädten: Ein sich anschweigendes Paar hat sich gerade getrennt, muss aber noch unangenehm zusammenleben, bis aus- und umgezogen werden kann. Das gestaltet sich schwierig, denn der Wohnungsmarkt ist in vielen Städten und Gegenden bekanntlich eine Katastrophe. Außerdem, so wirkt es, sind beide noch jung und dementsprechend schlecht verdienend. Reddit auf dem aufgeklappten Laptop, Prokrastination mit Artikeln über Schwertwale und ein Streit darüber, wer die Glühweintasse vom Weihnachtsmarkt am Schloss Charlottenburg bekommt: Das schreit nach Wahlberliner:innen-Millennials.
Zwei Zimmer, Küche, Bad, Loch
Doch vielleicht liegt die Krise tiefer als zunächst angenommen, tiefer als Schimmel im Bad und eine gesetzliche Krankenversicherung in Berlin. Denn sehr schnell wird es surreal. Und durchaus düster. Da ist nämlich ein Loch in der Wohnung, und das wird immer größer. Es lässt sich nicht stopfen und die Protagonistin hat panische Angst davor hineinzufallen. Gut, dass die Nachbarin (mit der das Paar in vier Jahren selbstverständlich noch nie ein Wort gewechselt hat) gerade klingelt. Vielleicht kann sie ja helfen? Fehlanzeige, denn ihr Problem ist noch eigenartiger: Die Nägel der Nachbarin wachsen und wachsen und lassen sich kaum schneiden.
Dürfte ich nochmal zum Loch?
Da stehen die drei also mit ihren unlösbaren, existenziell werdenden Problemen und das ist komisch und unheimlich zugleich. Im Publikum wird manchmal zu Recht gelacht. Aber dann fällt der Satz »Vielleicht gab es kein Vorher, vielleicht [das] Leiden [der Nachbarin] schon immer da« – und der regt zum Nachdenken an. Trotzdem die Metapher Loch = Leere etwas arg plakativ gewählt. Die Stärke des Textes liegt vor allem in den gut beobachteten Szenen und verkrampften Dialogen des frisch getrennten Paares, die sehr authentisch sind. Die Komik bringt die Autorin in der Lesung gut rüber, gerade die Figur der Nachbarin ist innovativ und einprägsam.