Maria Conrad: SIE möglicherweise brauchbar

© Natalia Reich

In Maria Conrads Gedichten setzt sich das lyrische Ich mit einer titelgebenden SIE auseinander, vermutlich die Mutter, die aus Russland eingewandert ist: An einigen Stellen gibt es Wörter und Phrasen auf Russisch. Sie unterstreichen die Fremdheitserfahrungen, die generell das Hauptthema von Conrads Texte sind, nicht nur auf Seites der Mutter, auch auf der des lyrischen Ichs, besonders in ihrem Verhältnis zur Mutter:

Was ihr fehlt, erschafft sie

Im Übermaß für mich, ich bin da,

Struktur ist da, Anspruch ist da,

Kratzt an Cumulus und Nimbus,

Ich soll alle überflügeln

In der Abfolge der Texte deutet sich ein erzählerischer Bogen an. So bringt das erste Gedicht einen Zustand des Migriertseins zum Ausdruck (»Eine Ablagerung im Uferschlamm«), im zweiten tritt dann das lyrische Ich als Kind und Gegenüber der SIE auf, die wiederum gegen Ende des Zyklus an ein »Menschenende« kommt.

Es sind starke, emotionale Bilder, die den Gedichten einen intensiven Grundton geben. Gewalt und Körperlichkeit sind durchgängig präsent, sowohl in konkreten erzählerischen Elementen als auch in der Bildsprache, wenn es etwa um das Verhältnis zur Gesellschaft geht:

Die Leute haben Absichten wie Tiere, sagt sie, wittern

Dein fremdes Blut, erkennen dich als Beute, versteckt

Hinter Zäunen, Gardinen, lauern, und du hast nichts

Zum Schutz als deine Magie, um dich notfalls zu verwandeln,

Eine Andere zu werden

Conrad trägt ihre Texte etwas ruhiger vor, als sie beim Lesen wirken. Ihre Lyrik ist insgesamt weniger kühl und beherrscht und gerade deswegen sehr einnehmend. Die stellenweise überschießende Bildlichkeit transportiert sehr eindrücklich die bewegte Emotionalität der Texte und der darin aufscheinenden, von Zerrissenheit geprägten Lebenssituationen.

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