Beatrix Rinkes Landschaftssimulation lässt einige Lücken, eintauchen in die Welt ihrer Protagonistin Nora tun wir aber trotzdem. Eigentlich ist es nicht nur eine Welt, sondern gleich mehrere. Da wäre die kapitalistische Marketingwelt, in der Nora performen muss, denn sie muss sich griffige, verlogene Werbesprüche für eine Kreuzfahrtschiffagentur ausdenken. Leistet sie das nicht, spürt sie wortwörtlich die Hände von Chefin Benedetta im Nacken.
Dann gibt es Noras Zimmer, das von Trauermücken befallen ist. In diesem versucht sie der Unwahrhaftigkeit ihres Jobs zu entkommen, indem sie sich in die Unwahrheit einer digitalen Landschaftssimulation flüchtet. Dort, in dieser simulierten Welt, gibt es Elvie, deren Identität uns verborgen bleibt, und Zittergras, das Nora riechen und hören kann. Außerdem einen Mäusebussard, der beide vereint; also Elvie und Nora. Der Vogel ist schließlich »ihr Symbol«.
Und da ist noch eine Welt, noch eine Immersion: Noras Vergangenheit, die Erinnerungen an ihre Kindheit, an die Großmutter und an den Bruder, mit dem sie sich ein Hochbett teilte. Die letzte Welt ist wohl die einzig echte, Noras Welt bevor sie Greenwashing, Monotonie und Stumpfsinn verfiel. Als Nora ihre Großmutter besucht, schenkt sie ihr ein Buch von Thomas Bernhard.
Ich zeichne einen blauen Engel an einen Schiffsbug. An Bord unseres Kreuzfahrtschiffes sind Sie nicht nur Wellenbrecher, sondern auch Weltenretter.
Es gibt ein Element, das alle Welten verbindet: Wurzeln, sogar Bäume. Die Hände der Großmutter sind wie Äste und auch die Handoberflächen der schrecklichen Chefin erinneren an Rinde. Elvie, bei der unklar ist, ob es ihr Körper ist, der am Ende stirbt, scheint ein einziges Geäst zu sein.
Vielleicht ist auch Noras reale Welt nur ein Geäst, dessen feste Struktur sie täglich simulieren muss. Vielleicht soll diese digitale Simulation, die wie ein Computerspiel funktioniert, die Falschheit von Noras Job spiegeln. Vielleicht ist es aber auch gar nicht so wichtig, alles von der mysteriösen Avatar-Figur Elvie zu verstehen oder zu wissen, wer Kira ist, die kurz erwähnt wird. Denn worum wir wissen, ist die tiefe Traurigkeit Noras, die wir kennenlernen. Rinkes Text ist interessant und hochaktuell, dessen gekonnt poetische Sprache Immersion erlaubt und von dem man sich wünschte, er würde sich etwas mehr Zeit nehmen, um die Zuschauer:innen an die Hand zu greifen und weniger mit Namen und teils leicht kryptischen Bildern zu überfordern.