Selbstbestimmtes Sterben – ein Thema, das gleich mehrere Finalist:innen beschäftigt. Auch Anja Gmeinwieser schaut in einer eindrucksvollen Szene auf Rituale um Abschied und Freitod.
Es ist ein skurriles Szenerie, in die uns Anja Gmeinwieser entführt: In Jetzt Fritzi hat sich eine kleine Gemeinschaft in einem malerischen Ort am Fluss versammelt, um Abschied von Fritzi zu nehmen. Gleich zu Beginn wird klar: Die Ich-Erzählerin ist mit sich selbst und ihrem eigenen Schmerz über den Verlust von Fritzi beschäftigt.
Ritualisierte Räume bestimmen den Text. Es gibt eine Doula (ein altes Wort für Hebamme), die hier die Funktion als Begleiterin in den Tod hat. Sie hängt Windspiele in die Bäume und unterstützt Fritzi, die selbstgewählt in einer kleinen Gruppe von rund zwanzig Vertrauten aus dem Leben treten wird. Eine Ärztin in weißem Kittel gibt ihr dafür eine Flüssigkeit, anschließend wird sie auf ein Stand-Up-Paddle treten und dem Lauf des Flusses folgen, bis die Farben intensiver werden und sie das Bewusstsein verliert. Die Erde des Flussufers ist bereits platt getreten, alle sind farbenfroh gekleidet: Es sind die offiziellen Sterberituale, die hier eine neue Realität und andere Sichtweise auf den Tod zeichnen.
Die Doula, die sicher die Klangkörper aufgehängt hatte, die, wie sie immer sagen, »den Raum hielt«, sprach mit feierlichen Gesten Worte, die ich mir mit meinem Geschrei unverständlich machte. Sie nahm Fritzis Hand, sie gab dem Moment Größe, ihr ganzes Wesen widmete sie dem Moment, Fritzis Moment.
Im Kontrast zu der scheinbar friedlichen Szene steht die Ich-Erzählerin mit ihrem unerträglichen Schmerz. Sie heult Rotz und Wasser und wird zum Klageweib. Ihr Schleim verteilt sich überall auf Fritzi, wenn sie sich um ihren Hals wirft. Sie nimmt den Raum ein, der eigentlich für Fritzi bestimmt ist, sie möchte sie nicht gehen lassen. Der egoistische Schmerz der Ich-Erzählerin springt uns in Anja Gmeinwiesers Prosa fast dreidimensional entgegen.
Eine warme Hand auf meinem Rücken, Alma, ich kannte die Berührung, da berührten mich Wärme, Freundschaft, Mitleid, und die still hoffende Frage: Kannst du es nicht einfach schön finden?
Mit klarer Stimme und viel Empathie für ihre Ich-Erzählerin trägt Anja Gmeinwieser die Kurzgeschichte vor, die viele Fragen offen lässt, einen aber mitnimmt in eine friedliche Welt, in der der Abschied eine selbstgewählte Instanz darstellt. Gleichzeitig zeigt er uns auch: Der Tod ist nicht schön, er bedeutet eine schmerzhafte Lücke und noch so viele zarte Worte des Abschieds können diesen Umstand nicht ändern. Man möchte sich am Leben der geliebten Menschen klammern, weil der Schmerz am Ende alles ist, was übrig bleibt.