New Readings | Josefine Soppa: Mirmar

Josefine Soppa gewann 2020 mit ihrem Text »MIRMAR« einen der Prosapreise beim 28. open mike. Vor Kurzem erschien nun ihr gleichnamiges Debüt im Aufbau Verlag. Wir haben Josefine ein paar Fragen dazu gestellt.

Josefine Soppa
© Laura Bleck

Buchcover »Mirmar« von Josefine Soppa

Vorschautext

In »Mirmar« halten sich Mutter und Tochter mit Untervermietungen ihrer Wohnungen, digitalen Aushilfsjobs und einer Massageliege über Wasser. Bis die Mutter eines Tages verschwindet. Die Tochter vermutet sie an einem Stück Strand am Meer, wo sie mit anderen Frauen in Unterkünften von ehemaligen Pauschalreiseanbietern leben soll. Sie macht sich auf die Suche. Auf ihrer Reise erinnert sie sich an die Mutter, ihre Ängste und Sehnsüchte, das prekäre, brüchige Leben, dem sie sich mit großem Mut gestellt hat, und trifft auf eine Bewegung von Frauen, die am Meer in einem Kollektiv zusammenfinden und ein Leben jenseits von Carearbeit, Altersarmut und erfahrener Ungleichheit erproben. Ein atmosphärisches Debüt und das zärtliche Porträt von Mutter und Tochter, dessen Wucht ganz allmählich einsickert.


Was schoss dir durch den Kopf, als du dein Debüt zum ersten Mal in den Händen gehalten hast?

Es ist ein Objekt.

Beschreibe dein Debüt in drei kurzen Sätzen.

MIRMAR ist eine Welt der Erschöpfungen, der Sub-Subunternehmerinnen und prekärer Übergangssituationen, die dauerhaft sind. Darin ein Duo aus Mutter und Tochter, das sich durchschlägt und verloren geht. MIRMAR ist die Suche nach einer vielleicht unmöglichen Erholung.

Wie ist die Idee zu deinem ersten Buch entstanden?

Ich hab gearbeitet in allen möglichen Jobs und mich gefragt, wann ich mit den eigentlichen Sachen anfangen kann. Was die eigentlichen Sachen eigentlich sein sollen. Dann habe ich mich gefragt, was passiert, wenn das Alter kommt, aber sich noch nichts eingelöst hat. Dann gab es die alternde Mutter, und ich habe mich gefragt, wie eine Erholung möglich sein soll, wenn die Umstände weiterhin prekär sind und mit zunehmenden Alter noch wackeliger werden. Dann war Covid, und meine Erschöpfung hatte so etwas wie ein Bild gefunden, und ich habe die ganze Zeit so Google Maps-Unternehmungen gemacht, und bei einer Reise war da so ein Stück Strand und eine übriggebliebene Radachse von einem ehemaligen Strandmobil halb im Wasser, und das war dann eine Zeit lang so etwas wie ein Erholungsort, wo etwas anderes möglich war, wo die Umstände anders waren und dann habe ich die Mutter an diesen Strand gesetzt, weil ich ihr eine Erholung gewünscht habe und sie dafür aus allen Umständen raus musste.

Wie nimmst du rückblickend die Zeit zwischen deiner Teilnahme am open mike und der Veröffentlichung deines Debüts wahr?

Wie schnell alles ging, obwohl es mir dabei oft zäh und wackelig vorkam. Ziemliche Zeit aus Vereinzelung und Rückzug und Durchhalten und Konzentrieren. Aber auch Aufgefangenwerden und Bestärktwerden und von anderen lernen, wie ich das, was ich schreibe, überarbeiten oder mir anders angucken kann. Durch die Teilnahme am open mike und die Veröffentlichung gab es so eine Legitimierung, die ich mir sonst viel schwerer selbst hätte geben und zugestehen können, eine Art Zweifeln war dadurch besänftigt.

Was gefällt dir am besten am Schreiben? Und was findest du am unangenehmsten?

Am besten gefällt mir eigentlich alles: dass ich mir die Gedanken machen kann und Sachen lesen und die Sätze so schreiben, dass ich glaube, etwas gefunden zu haben, was ich will. Am schwersten fällt mir, wie ich Schreiben als Arbeit definiere, dass ich mich nicht selbst durchkreuze, wenn ich durch die Straßen laufe und nachdenke, weil ich beispielsweise an Leistung denke und dann die Gedanken wieder aufgehoben werden.

Welche anderen Künstler*innen prägen dein Schreiben?

Zur Zeit und für das Buch sind wichtig: Christian Geissler, den ich erst vor Kurzem entdeckt habe, weil sein Werk gerade vom Verbrecher Verlag neu aufgelegt wird. Und Lucia Berlin, Kathy Acker, Samuel Beckett, Ocean Vuong, Dorothee Elmiger; Stefano Harney und Fred Moten mit ihren gemeinsamen Texten All Incomplete und The Undercommons und Isabell Lorey und McKenzie Wark. Aber auch aus anderen Bereichen, wie zum Beispiel die SciFi-Doku Come To Me, Paradise von Stephanie Comilang oder die Sick Women Theory von Johanna Hedva oder die Berichte der Gruppe Precarias a la Deriva, mit der Frage: Was ist dein Streik?

Welche Songs würde man auf dem Soundtrack zu deinem Debüt finden?

»Unchained Melody« im 10h-Youtube-Loop

Vielen Dank für deine Antworten.


Josefine Soppa, geboren 1988 in Oberhausen, lebt in Leipzig. Sie studierte Philosophie der Künste und Medien in Dresden und Hildesheim. 2020 erhielt sie den Prosapreis des open mike und war Stipendiatin der Jürgen-Ponto-Stiftung. Mirmar ist ihr Debütroman. 

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