Mariusz Hoffmann gewann 2017 mit seinem Text »Dorfköter« einen der Preise beim 25. open mike. Vor Kurzem erschien sein Debütroman Polnischer Abgang beim Berlin Verlag. Wir haben Mariusz ein paar Fragen dazu gestellt.
Vorschautext
Salesche, ein Dorf in Polen 1990: Jarek und seine Eltern packen ihre Sachen. Sie wollen nach Deutschland aussiedeln, so wie Oma Agnieszka, die acht Jahre zuvor die Flucht angetreten hatte. Doch wovor war sie wirklich geflohen? Niemand will es dem 14-Jährigen sagen. Als Jarek ins Schlepperauto steigt, das sie von Schlesien über die Grenze bringen soll, weiß er nur eins genau: Er wird nicht zurückkehren. Im sich wiedervereinigenden Deutschland, sagt man ihm, warte ein besseres Leben. Doch statt zu Agnieszka nach Hannover zu fahren, geht es für die Sobotas schnurstracks in die Aussiedlerlandestelle Hamm, um dort ihre Anträge zu stellen. Und auch nachdem sie die Aufnahmebestätigung in Deutschland erhalten, rückt das Wiedersehen mit der Großmutter in immer weitere Ferne. Jarek beginnt, dem Schweigen seiner Eltern zu misstrauen, bis sich am ersten Weihnachtsabend im »gelobten Land« die Teile des Familienpuzzles plötzlich folgenreich ineinanderfügen.
Lieber Mariusz, was schoss dir durch den Kopf, als du dein Debüt zum ersten Mal in den Händen gehalten hast?
Ein Traum erfüllt sich.
Beschreibe dein Debüt in drei kurzen Sätzen.
Im Sommer 1990 wandert Familie Sobota aus Polen nach Deutschland aus, wo es nach vielen Jahren ein Wiedersehen mit Oma Agnieszka geben soll. Doch es kommt anders, die Sobotas kommen zunächst in Lagern und Notwohnungen unter und der Kontakt zur Oma bleibt aus. Also beschließt Ich-Erzähler Jarek mit seiner neuen Freundin Monika auf eigene Faust die Suche nach der verschwundenen Großmutter zu beginnen.
Wie ist die Idee zu deinem ersten Buch entstanden?
Nach einem Telefonat mit meiner Mutter. Sie hatte kurz vorher mit unserer ehemaligen Nachbarin in Salesche gesprochen. Und diese hatte davon berichtet, dass zwei junge Männer (etwas älter als ich zu dem Zeitpunkt) tot in einer Garage aufgefunden wurden. Beide schwere Alkoholiker und pleite, hatten sie Frostschutzmittel getrunken. Und meine Mutter sagte, wie froh sie darüber sei, dass wir 1990 von da weggegangen sind und ich nicht einer der beiden jungen Männer bin. Darüber dachte ich noch lange nach, und dann skizzierte ich die Geschichte von Jarek und Andrzej.
Wie nimmst du rückblickend die Zeit zwischen deiner Teilnahme am open mike und der Veröffentlichung deines Debüts wahr?
Aus heutiger Sicht erscheint mir die Teilnahme am open mike und das Veröffentlichen im Berlin Verlag wie der Rahmen einer Geschichte. Denn Andreas Paschedag (Lektor des Berlin Verlags) hatte meinen Text ausgewählt und zum Wettbewerb eingeladen. Später, als ich das Manuskript zu Polnischer Abgang geschrieben hatte, fanden wir wieder zusammen. Diesmal war der Anlass noch schöner.
Was gefällt dir am besten am Schreiben? Und was findest du am unangenehmsten?
Ich kann mich an kleinen Dingen erfreuen. Die eine passende Formulierung, der eine Wortwitz. Vor allem aber, wenn aus den Ideen dann längere Passagen, Kapitel und Manuskripte werden. Am unangenehmsten sind die Zweifel, die immer wieder, unverhofft, auftauchen. Sie gehören zum Entwicklungsprozess eines guten Textes sicher dazu, dennoch sind sie quälend und mit nichts zu vergleichen.
Welche anderen Künstler:innen prägen dein Schreiben?
Ich mag das Namedropping anderer Autor*innen nicht besonders. Es kommt mit vor, als würde ich mich mit fremden Federn schmücken. Ich kann aber sagen, dass meine Großmütter mein Schreiben geprägt haben. Sie waren diejenigen, die das Erzählen in mein Bewusstsein gebracht haben. Erzählen, ausschmücken, verschiedene Stimmen nutzen usw.
Welche Songs würde man auf dem Soundtrack zu deinem Debüt finden?
Michael Holm – Mendocino, Lady Pank – Marchewkowe Pole, Baltimora – Tarzan Boy (alle drei Songs tauchen im Roman auf)
Vielen Dank für deine Antworten.
Mariusz Hoffmann wurde 1986 in Polen geboren. Er studierte Philosophie in Hamburg und Literarisches Schreiben in Hildesheim, wo er Mitherausgeber der Literaturzeitschrift BELLA triste war. Beim 25. open mike wurde er in der Kategorie Prosa ausgezeichnet. 2019 war er Teilnehmer der Schreibwerkstatt der Jürgen-Ponto-Stiftung, 2020 Stipendiat im Künstlerhaus Lukas, Ahrenshoop. 2021 folgte ein Residenzstipendium des Goethe-Instituts in Broumov, Tschechien. 2022 erhielt er das Arbeitsstipendium für deutschsprachige Literatur des Berliner Senats und 2023 das Alfred-Döblin-Stipendium.