Ruth-Maria Thomas: warm/sauber/satt

Der 30. open mike startet mit einem starken, politischen Text. Ruth-Maria Thomas setzt mit warm/sauber/satt die Messlatte für die weiteren Performances schon einmal sehr hoch.

Gebannt folgt das Publikum den ersten Begriffserklärungen, die die Autorin ihrem Text voranstellt. Es ist komplett leise, alle hören der abwechslungsreichen Stimmführung von Ruth-Maria Thomas zu:

ASD: Allgemeiner Sozialdienst
IOE: Inobhutnahmeeinrichtung
MA: Mitarbeiter:in
UmA: unbegleiteter minderjähriger Ausländer
BAMF: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
Königsteiner Schlüssel: Schlüssel, nach dem UmA innerhalb Deutschlands aufgeteilt werden

Die Geschichte beginnt in einem Gerichtssaal, mit einer Figur, die Aussagen tätigen muss. Sofort will man als Zuhörer:in wissen, worum es geht, was denn passiert ist. Es ist ein bedrückender Text, der nach und nach die Arbeit in einer Inobhutnahmeeinrichtung für die Betreuung unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter abbildet. Der aber auch nicht wegsieht, sondern die Gewalt, die Hilflosigkeit und den Schmerz aufzeigt. Es ist ein Text, der das Sozialsystem und die fehlende Unterstützung der Sozialarbeiter:innen anklagt.

Mit einem expressiven Stil, mit einer schnellen Sprache und vielen Sprüngen zu unterschiedlichen Situationen wird die Überforderung der Figur deutlich, die im Fokus steht. Die Namen der Geflüchteten werden verschwiegen, es muss immer und egal in welcher Situation Abstand gehalten werden, auch wenn mal Blut fließt. Die Ich-Erzählerin befindet sich durchgehend in einem unfreiwilligen Zwiespalt von Nähe und Distanz. Inwieweit involviert man sich in die Schicksale? Wie unterstützt man am besten? Wie viel emotionalen Aufwand investiere ich in diese Arbeit?

umarmen ist tabu.

warm/sauber/satt ist politisch aktuell und notwendig, zum einen für das Schaffen eines Bewusstseins für das Leben der minderjährigen Geflüchteten und zum anderen für die realitätsnahe, unverschleierte Darstellung der harten Arbeit von Sozialarbeiter:innen.

Ruth-Maria Thomas’ Text klagt an und weitet den Blick für die Berufe im konstant überforderten Sozialwesen. Es wird klar, es muss sich etwas ändern. warm/sauber/satt hallt, insbesondere durch das starke Ende, noch lange nach.

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