Pauline Hatscher: Phantasiefreunde

Die erste Verabredung des namenlosen Paars, das sich nach einer Phase des Chattens auf einer Dating-App zum ersten Mal im echten Leben trifft, verläuft enttäuschend. Beide sind kleinlich und streng miteinander, fast scheint es, als seien sie auf der Suche nach Fehlern des anderen. Ihm gefällt ihre Stimme nicht, sie findet, er hätte die Kugelschreibertinte an seinen Händen abwaschen sollen. Ein tiefgründigeres Gespräch kommt nicht zustande. In den hohen Erwartungen, die sie aneinander gehabt hatten – er war drauf und dran gewesen, sie als seine Seelenverwandte zu bezeichnen –, werden sie gebremst.

Nach dem Treffen beginnen sie wieder miteinander zu schreiben, trotz des unbefriedigenden Treffens tauschen sie immer mehr Nachrichten aus, wie frisch Verliebte warten sie aufgeregt auf das Vibrieren des Handys.

Die bedeutenden Gespräche führen die beiden nur schreibend: Sie erzählt ihm, sie sei unzufrieden mit ihrem Leben, er erzählt von den Panikattacken, die er vor ein paar Jahren hatte. Sie beschließen, sich wieder zu treffen, das Treffen ist wieder ein Reinfall, aber sie erholen sich davon im Chat.

Er mochte nicht, wie sie ihren Teebeutel am Faden durch den Becher zog, und ihr missfiel, dass er sein Handy auf den Tisch legte, als könne er während ihres Treffens etwas Wichtigeres verpassen. 

Sie stellen einen letzten Versuch an: Sie treffen sich, aber diesmal sprechen sie nicht miteinander, sondern schreiben sich Nachrichten. Die Geschichte endet offen: Die große Liebe scheint es nicht zu sein, aber für den Moment fühlen sie sich verstanden – zumindest von der Version, die sie sich vom anderen ausmalen. Die Geschichte spielt sich nur zwischen den beiden ab, andere Menschen kommen, außer in Erzählungen, nicht vor, als wären sie in Zweisamkeit abgeschottet von der Welt. Und doch nehmen sie nicht wirklich am Leben des anderen teil.

Pauline Hatscher beobachtet die alltäglichen Missverständnisse, die kleinen Dinge, bei denen man sich fragt, ob sie nur einem selbst unangenehm sind. Fast fühlt man sich manchmal ertappt. Der Stil ist leicht, man folgt den Protagonist:innen gern durch das Pingpong zwischen ihren Gedanken.

Der Text kann als Coronatext gelesen werden – nach einer Zeit der Isolation wieder in soziale Situationen geworfen werden, nicht mehr zu wissen, wie man eine Unterhaltung führt, sich eigentlich ganz gut darin eingenistet zu haben, mit dem Handy in der Hand in den eigenen vier Wänden zu sitzen. Aber auch abseits von der Pandemie beschreibt Pauline Hatscher eine Generation, die sich im Internet zu Hause fühlt, in realen Situationen aber immer schwerer tut.

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