Zu Anfang von Greta Maria Pichlers Textgruppe wird man Zeug:in einer Begegnung, in die eine gewisse Dissonanz schon eingeschrieben scheint:
wenn sich zwei schiffe im wasser, wenn sich zwei fische im wasser, wenn sich zwei begegnen, die
immer schon da waren, sich nähern, stören sie den strom.
Die Begegnung als Störgeräusch im System, oder zumindest als etwas, das seine eigene Dynamik hütet, das mal aufbraust, dann wieder abflaut, wie die Windstärke, die dieses Changieren am unteren rechten Seitenrand markiert. Auch Greta Maria Pichlers Stimme schwillt in ihrer Lesung an und ab, sie kreiert auf diese Weise einen Spannungsbogen, der die Zuhörenden in die Bewegungen einspinnt. Der Schauplatz dieser Gedichte ist ein Segelboot, Wasser und Wind sind unkontrollierbar, und da hindurch manövriert ein lyrisches Ich fast schon stoisch, immer mit einem Fuß im Wir.
im umkreis aber, alles klar verzeichnet, den zirkel gespreizt und rumgedreht. du fürchtest hindernisse, geländeeigenheiten, sprichst von positionsbestimmungen. warte, denn heute sind wir landmarke. ich ziehe, manövriere, schlussendlich geht es gut, wir legen an.
Greta Maria Pichler zeichnet dieses Ringen auf und mit dem Wasser dabei sprachlich höchst präzise nach. Das Vokabular ist mit Bedacht gesetzt, die Gefahr einer Überfrachtung wird gebannt. Dafür gibt es immer wieder ausgewählte Stellen, an denen sprachliche Bilder wie Reflexionen aufblitzen und einem in den Kopf schießen:
im schwimmen nimmt der körper im regelfall keine bis kaum flüssigkeit auf, unabhängig
davon wie trocken er ist. ich kraule in arbeit, du schmetterlingst in geld.
Im Titel des Gedichts »williamson turn« wird ein gewisses Straucheln des lyrischen Ichs dann metaphorisch noch einmal offensichtlicher herausgestellt. Der Williamson Turn bezeichnet ein Schiffsmanöver, bei dem ein Schiff sehr schnell auf entgegengesetzten Kurs, auf die vorherige Kurslinie gebracht wird. Diese Richtungswechsel scheinen auch das lyrische Ich zu betreffen, doch bleibt der Zusammenhang an dieser Stelle uneingelöst, da die Autorin plötzlich auf die Madonnenlilie schwenkt:
der williamson setzt an, schert aus, dreht und kehrt zurück zur
kurslinie. die blütenblätter der madonnenlilie haben eine schiffchenartige form. sie biegen sich
einen halben turn richtung boden. madonnenlilie, mann über board.
Solche Überraschungen halten den Text lebendig, es hätte noch mehr davon geben können. An manchen Stellen rutscht die Autorin in einen etwas didaktischen Gestus ab, hier wäre poetische Stringenz wünschenswert gewesen. Es wird viel erklärt und dieses Erklären bildet sich auch in der Sprache, die dann fast schon nüchtern gerät, ab. Im letzten Gedicht kommt es dann noch einmal zu einer Klimax, in der die Dynamik der Begegnung in eine Atemlosigkeit mündet, als würden sich Ich und Du unter der Wasseroberfläche einen stummen Tanz liefern. Er lässt das Publikum aufgewühlt, mit ein bisschen Meer im Inneren, zurück.
ich aus dem bauch heraus, aus dem kopf, ins wasser. aus dem wasser, durchs wasser, am wasser entlang. durch den sand. ich getarnt als du. ich vervielfacht zu wir. du eigentlich ich. du welt. du, ach. du gesellschaft, oh! du ans meer, du vom meer weg, du von mir weg. zu mir hin, du und ich, eins.