Aus der Textwerkstatt von Rosa Engelhardt

konservierung

I
auf der gebogenen emaille-oberfläche hat sich eine kruste aus staub gebildet, es muss jahre her sein, dass sie hier das letzte mal gebadet hat. wie ein faseriger teppich sieht es aus, fast gemütlich. che sporcizia, sie hätte sich aufgeregt, wären ihre augen nicht so schlecht geworden, es musste immer alles sauber sein. was übrig bleibt, denke ich, sind hautschuppen, haarwurzeln und hausstaubmilben. teile von ihr haben dieses badezimmer nie verlassen. den spiegel zieren zahnpastaflocken, ihr speichel in kleinen weißen kreisen, vermischt mit dem geschmack von künstlicher minze.

II
ein muster aus lichtquadraten auf der küchenfensterbank, es ist ungewohnt, nur das nackte holz zu sehen. sie stellte immer das tablett mit den gartenfrüchten auf das sims, denen die sonnenstrahlen dann tag für tag den saft entzogen. aprikosen, trauben, pflaumen – aus allen entwich die fleischige prallheit, als hätte man sie ausgesaugt. zurück blieben nur klebrige, dorre hüllen, in runzeln zusammengefallen.

III
wie aufgedunsen ihr körper wäre, wenn sie sich in die wanne läge. auf der wasseroberfläche der staubfilm, der sich beim hinaussteigen an ihre haut heften würde, an die stellen, wo er herkam, wo sich die schuppen einst abrieben. ich denke an quellen, wenn wasser etwas schlaffes aufbläht, wie in dem verzweifelten versuch, ihm seine form zurück zu geben. sie weichte getrocknete tomaten in heißem wasser, bevor sie salsa di pomodoro kochte, in der kleinen keramikschale dümpelten die rotfaltigen häufchen. wie ihr körper sich ausbreiten würde, denke ich, und gleichzeitig noch mehr runzeln auf ihren händen erschienen. eine schwimmende haut über weißer emaille, ein ballon, bereit zum zerplatzen.

IV
jedes fenster im haus ist vergittert, sie wollte keine tiere in der stube. maledette zanzare, schimpfte sie, wenn sich doch einmal eines der sirrenden viecher hinein verirrte, und klatschte mit beiden händen in der luft herum, bis sie es erwischt hatte, ein letzter applaus. sie hasste es, wenn die aprikosen vor ihrem fenster überreif ins gras fielen, und sich die fruchtfliegen darüber sammelten. deshalb erntete sie die früchte immer etwas zu früh, auf einer verrosteten trittleiter stehend, und legte sie gleich auf die fensterbank. einige fädelte sie auf eine schnur und hängte sie wie eine girlande ins zimmer.

V
in der kammer, hinter kräuterbündeln, lagern noch gläser mit dörrobst aus einem der letzten sommer. die faltigen einstülpungen, in denen sich die früchte verlieren, erinnern mich an ihr gesicht, wo sich die jahre ihren weg durch die haut gegraben haben. wenn sie beim lachen ihre gelben zahngebirge zeigte, schichteten sich die mundwinkel in ihre wangen. ansonsten hing ihre haut, und manchmal stelle ich mir vor, wie eine mücke ihren einschlupf durch einen türspalt oder einen riss im gitter fand, eines nachts, in der sie fest schlief. ich stelle mir vor, wie diese mücke auf ihrer wange landete, in die haut stach und alles schlürfte, bis nur noch eine leere hülle übrigblieb. an ihr erwachen denke ich nie. mi prude. ich öffne ein glas.

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