Moor
meine Mutter ist in ein Moorloch gefallen
es hatte sich vor ihr
aufgetan
schwarz schlammig und modrig wie Jauche
der Himmel war grau
braun und karg lag das Land
gebrochene Äste
vereinzelt
knacksten unter den Nikes
können dann auch weg
dachte ich
und hörte sie schmatzen
im Matsch
meine Mutter schritt
wie ein abgeklungenes Gewitter
die Pfade entlang
wir sprachen nichts
atmeten ruhig
durch den Januar
schau mal!, ein Tier
rief ich
und mein Finger
vollzog
einen Phrasenbogen
die Sonne lag wie
ein Corega® Tab im Himmel
ihr Licht wühlte sich fad
durch massiges Grau
und der Mutter
rann
eine Träne
die Wange
herab
doch
ich hatte nur
die Frau mit dem rosa
Brillengestell im Kopf
wir gingen seit Stunden
und länger
längst kreisten mir
Puddingteilchen
um den Kopf
hast du geweint?
nein, es nieselt
ach so
aber trotzdem hier
stimmt doch was nicht
eine Krähe schrie
krah
fuck
das war das Moorloch
und Mutter war weg
Meine Mutter ist in ein Moorloch gefallen
jetzt spielt sie
mit den Schlammmonstern
Memory
Caren Jeß, geboren 1985, schreibt Dramatik und Prosa. Mit ihrer »Ballade von Schloss Blutenburg« schlägt sie die Brücke ins lyrische Feld und erhält beim 26. open mike den taz-Publikumspreis. Sie studierte Neuere deutsche Literatur, Musik und Schauspiel. 2017 gewann sie mit »Deine Mutter oder Der Schrei der Möwe« den 3. Platz des Osnabrücker Dramatikerpreises. 2018 erhielt sie für ihr Stück »Bookpink« den Münchner Förderpreis für deutschsprachige Dramatik (Residency). Gegenwärtig ist sie nominiert für den Retzhofer Dramapreis 2019. Sie arbeitet an einem Roman.