Aus der Textwerkstatt von Sarah Wipauer

Warum man paddeln mit zwei D schreib

Paddeln schreibt man mit zwei D, damit Volksschulkinder in der dritten Klasse auf ihrer ersten Schullandwoche eine ganze Stunde mit einer Schreibtafel und einem Stück Kreide beschäftigt werden können. An im Raum verteilten Tischen werden die Kinder aufmerksam sitzen, manche mit Fingern im Mund. Otto Waalkes, der aus irgendeinem Grund als Lehrer an dieser Schullandwoche in Bad Ischl teilnimmt und stets beteuert, nicht Otto Waalkes zu sein, aber seinen eigenen Namen verschweigt und mit Herr Lehrer angesprochen werden will, verspricht demjenigen, der das Wort PADDELN richtig auf die Tafel schreiben kann, ein Eis. Ein Eis ist in der dritten Klasse der Volksschule der Mitsubishi unter den Belohnungen. Die Kinder sind am Anfang ganz siegesgewiss, ein Bub nach dem anderen geht vor zur Tafel, denn die Buben sind am siegesgewissesten, und einer nach dem anderen schreibt: PADELN. PATTELN. PATELN. BADELN. PAHTELN. PAADELN. Otto Waalkes hat zu Beginn der Aufgabe den Beispielsatz: „Die Ente paddelt im See“ dazugesagt und die zwei paddelnden Flossen der Ente, deren Abbild im Wort selbst zu finden ist, werden von den kleinen Petern und Patricks und Florians verstümmelt, amputiert und eingezwickt. Nach einer halben Stunde sind alle Kinder fieberhaft am Nachdenken, die Art von fieberhaftem Denken, die nur fieberhaft denkende Kinder an sich haben; wenn man älter wird, sieht niemand einem das fieberhafte Denken mehr an. Ab und zu meldet sich einer, zuerst ganz enthusiastisch, aber nachdem er PADTELN an die Tafel geschrieben und Otto Waalkes seinen Kopf geschüttelt hat, melden sich danach nur noch verunsicherte Kinder mit fragenden Blicken. Sie schreiben PATDELN, PATTLN, ein ganz verzweifelter Bub schreibt PADLEN. Die Geschichte endet damit, dass ich, nachdem ich es eine ganze Stunde lang in der Anspannung, jemand anderer wüsste genauso wie ich, wie man das Wort richtig schreibt, ausgehalten habe, um den Triumph immer größer und größer werden zu lassen – immerhin war die Aufgabe von Otto Waalkes gestellt, der übrigens tatsächlich auch gute Ottifanten malen konnte als Lehrer auf unserer Schullandwoche, was die ganze Situation nur noch verdächtiger erscheinen ließ – schließlich PADDELN an die Tafel schreibe und am nächsten Tag auf irgendeinem Berg in Oberösterreich ein Cornetto geschenkt bekomme, den Mitsubishi unter dem Speiseeis.


Sarah Wipauer, 1986 in Wien geboren, studierte Sinologie und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Wien. Sie verbrachte einen einjährigen Studienaufenthalt in Wuhan, China. Sarah Wipauer arbeitet in einer Studierendenserviceeinrichtung der Universität Wien. Sie veröffentlicht u.a. im Internet.

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