Tobias Lewkowicz: „Gedichte“

„Wer das Buch jetzt hat“, so Lektor Reto Ziegler, „ist hier im Vorteil“. Warum? Weil Lewkowicz’ Gedichte nicht in üblicher Strophenform gedruckt sind, sondern im Querformat, mit vielen Zwischenräumen und unregelmäßigen Absätzen. Die Lesereihenfolge erschließt sich nicht auf den ersten Blick, man kann von oben nach unten, von links nach rechts, aber auch schräg lesen.

„wir lebten weiter in dieser festen Stadt /nur den Kindern zuliebe /enden die Märchen / noch gut“

Oder:

„wir lebten weiter in dieser festen Stadt / aber unser Winter ging einen Winter/ lang / bald lebten wir / zu lang / von Planjahr zu Planjahr“

Tatsächlich liest Lewkowicz anders als erwartet. Es ist spannend zu beobachten, welche Reihenfolge er wählt, welche ich gewählt hätte, was noch alles möglich wäre. Der Zufall wird hier inszeniert, die Kontingenz, eingegossen in eine Form, die sich stets gegen sich selbst zu richten scheint, sich selbst aufzulösen versucht und daran notgedrungen scheitert. Es entsteht eine Dynamik zwischen den statischen, gedruckten Versen und ihrer freien Kombinationsmöglichkeit. Dem entsprechen inhaltlich die sich durch den gesamten Zyklus ziehenden Motive Leben und Tod, Ost und West, Krieg und Frieden.
„Tauma-Landschaft III“ heißt ein Gedicht, und man hat das Gefühl, dass hier etwas Schreckliches, Zerstörerisches passiert ist, bei dessen Verarbeitung man nun dabei ist. „Nach dem Krieg musste jemand / aufräumen“ – als wäre eine Bombe in die Gedichte eingeschlagen, muss der Leser die Splitter aufsammeln, beim Wiederzusammensetzen entsteht Erstaunliches.

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