Gerasimos Bekas: »Feierabend«

Wir müssen uns Günni als einen wütenden Menschen vorstellen. So liest den abgeklärten Alten aus dem Hospiz zumindest sein Autor Gerasimos Bekas. Günni ist einer der „Klienten“ von Lev, der im Hospiz arbeitet. Die beiden verstehen sich prächtig, weil Lev genauso sarkastisch oder pragmatisch ist wie Günni:

„Das Sterben selbst ist öde, wenn man sich nicht erschießt. … Das kann Stunden dauern und der Rest der Arbeit bleibt liegen. Es ist angeblich pietätlos, schon mal die Schränke zu räumen und die Sachen zu packen, bevor jemand gestorben ist. Dabei wäre das mal ein sinnvoller Ansatz des Qualitätsmanagements. Es ist ja nicht so, als ob man mit dem Tod nicht rechnen könnte.“

Nach der Fließbandarbeit an sterbenen Altnazis trifft sich Lev mit seinen Kumpels Boss und Derya am Mainufer, auf der bröckelnden Backsteinmauer am Kai. Und genauso detailreich wie seine literarische Welt gestaltet Gerasimos Bekas lesend das Trio als Theatertätiger, der er ist: mit Dialekt, mit Akzent, mit Milieu. Lektor Gunnar Cynybulk lobte, dass die „sogenannten Figuren zu Personen, echten Typen“ werden. Und neben mir will jemand wissen, wie’s weitergeht mit diesem „Auszug aus einem längeren Werk“.

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Leseprobe: Gerasimos Bekas; Feierabend
(Auszug aus einem längeren Werk)

»Manche Leben haben Überlänge. Besser werden sie dadurch nicht. Nur teurer.« Günni zieht den roten Faden der Klospülung und beobachtet, wie Lev seinen Kulturbeutel ordnet.
»Du meinst wie Kinofilme?«, fragt Lev, geht auf ihn zu und hebt Günni von der Kloschüssel.
»Ja, Kurt Cobain zum Beispiel. Er hat es richtig gemacht und einen grandiosen Kurzfilm abgeliefert. Kawumm mit siebenundzwanzig. Ich werde zweiundsiebzig.«
»Hast dich gut gehalten.«
»Halt die Fresse. Siehst du, wie faltig mein Arsch ist? Sogar mein Arsch? Und meine Hände. Ich kann mir nicht mal einen runterholen. Wer keine Kohle hat, um als gelifteter Greis auf Viagra zu enden, mit blonden Botox-Schlampen auf dem Schoß, wozu soll der alt werden? Wie alt bist du?«
»Zweiundzwanzig.«
»Na, da hast du noch fünf Jahre.«
»Bei Britney Spears wäre siebenundzwanzig schon zu spät gewesen.«
»Kenn ich nicht. Nicht so fest mit dem Scheißökopapier.«
»Sorry, Günni. Rasieren?«
»Geh ich auf eine Hochzeit? Beim Flaschensammeln helfen meine Stoppeln. Sag mal, hast du was zum Rauchen da?«
»Morgen, ich mach jetzt Schluss.«
»Morgen bin ich tot.«
»Das hättest du gerne, Günni. Ich wasch dich morgen früh, dann rasier ich dich und dann ziehen wir einen durch.«
Lev macht Günni eine Schleife an den Bund der Jogginghose.
»Hau ab, du Penner.«
Günni bringt ihn in langsamen Schritten zur Tür und gibt ihm einen Klaps auf den Hintern.

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