Elena: Was lest Ihr gerade?
Mara: Die Tagebücher von Susan Sontag, weil ich vor kurzem einen Interviewband mit ihr gelesen habe und nun nicht mehr aufhören kann, etwas von ihr zu lesen. Sie schreibt ganz viele tolle Sätze über Lesen und Literatur, in denen ich mich wiederfinde.
Theresa: Ich lese gerade “Kruso”.
Elena: Ach, das ist das letzte Buch, das ich nicht fertig gelesen habe.
Theresa: Ich bin noch nicht so weit vorgedrungen, aber es ist das Buch, das man gerade lesen sollte. Lutz Seiler hat eine ganz eigene Sprache. Es ist ein langsames Buch, sehr stimmungsvoll.
Elena: Ich werde mit dem Buch nicht richtig warm. Ich glaube, es hat mit diesem Spülbecken zu tun. Diese ganze Ebene von Verrottetsein greift mich körperlich zu sehr an. Und mir fehlt ein wenig der konkrete Zeithorizont.
Mara: Dann müsstest du vielleicht den Epilog zuerst lesen, den fand ich mit am Stärksten. Da wird die ganze Geschichte der Ostseeflüchlinge erklärt, das liest sich fast wie ein Sachbuch. Meinetwegen hätte das ganze Buch wie der Epilog sein können.
Elena: Was sagst Du damit über den Rest?
Mara. Ich habe ungewöhnlich lange für “Kruso” gebraucht, weil es sehr dicht ist.
Elena: Spannend, wir diskutieren so kontrovers wie vorhin über die Wettbewerbstexte. Nächste Frage?
Theresa: Ok, ich denk mir was aus. Elena, mit welchem Autor würdest Du gerne mal Kaffee trinken gehen?
Elena: Ich würde wahnsinnig gern mal Herta Müller fragen, wie sich für sie die “Atemschaukel” verändert hat, nachdem sie von Oskar Pastiors Securitate-Tätigkeit erfahren hat. Falls sie darüber sprechen möchte.
Mara: Ich hab sie auf der Buchmesse gesehen, sie ist echt eine tolle Erscheinung. Ich würde mit Jonathan Frantzen Kaffee trinken. Von ihm habe ich alles gelesen und ihn würde ich gerne mal im echten Leben kennenlernen. Vielleicht färbt von seiner Klugheit etwas auf mich ab.
Theresa: Da würde ich mitkommen. Und ich möchte Siri Hustvedt treffen, in einem schönen Café in Brooklyn.
Mara: Da schließe ich mich auch gerne an.
Theresa: Ihre Bücher sind unglaublich reich, sie schreibt eindrucksvoll und man lernt ganz viel über Kunstgeschichte, Psychologie und menschliche Beziehungen.
Elena: Da sind wir ja schon bei einer nächsten Frage. Was erwartet Ihr denn von einem guten Buch?
Mara: Gute Sprache ist mir wichtiger als die Handlung, also eine Sprache, die mich beeindruckt.
Elena: Du sagtest vorhin, Du magst eher realistische Texte?
Mara: Ja, etwas, das mir eine Welt zeigt oder ein Milieu, das ich nicht kenne, Texte, die mir etwas beibringen oder die einen Mehrwert haben.
Elena: Bei der neuen Welt kann ich mich anschließen. Ich habe mal eine Weile Bücher von Nobelpreisträgern gelesen und daraus einen Sport gemacht. Auch wenn ich vieles nicht verstanden habe oder nicht mochte, habe ich unglaublich viel über die verschiedenen Kulturen gelernt. Das ist ein anderer Zugang als über die Nachrichten. Die Sprache finde ich auch wichtig, aber ich brauch’s nicht ganz so realistisch.
Theresa: Ich wünsche mir eine Sprache, die mich fesselt. Und dass mir etwas Neues erzählt wird oder dass ich eine neue Perspektive auf Bekanntes bekomme. Ich freue mich immer über Bilder, die mir selbst nie eingefallen wären, die aber so klar sind für Dinge, die ich nicht in Worte fassen kann. Manchmal wünsche ich mir von einem Buch, dass es mich nur unterhält, manchmal, dass es mich richtig fordert.
Mara: Ja, aber ich lese nicht gerne Bücher, die mich unterhalten. Es muss mich schon fordern.
Theresa: Aber auch Unterhaltung kann …
Mara: Das klang für mich nach Chipsessen.
Theresa: Manchmal will ich genau das.
Mara: Gutes Stichwort. Wenn es mal nicht um Hochliteratur geht, was macht ihr denn dann sonst so?
Elena: Ich bin Kulturjournalistin und schreibe über Tanz und Theater. Daneben arbeite ich bei einem Verein, demnächst für ein Schulengangementprojekt in NRW.
Theresa: In welche Theater gehst du denn gern?
Elena: Ins HAU, in die Sophiensaele, auch in die Uferstudios.
Theresa: Berliner Off-Szene, schön. Und wofür schreibst du?
Elena: nachtkritik, tanz, Die Deutsche Bühne, Berliner Morgenpost … alles mögliche. Was machst Du denn, Mara?
Mara: Ich blogge auf meinem Literaturblog, auf dem ich Bücher bespreche, Autoren interviewe und für den ich Veranstaltungen besuche, zuletzt Prosanova und die Buchmesse. Nebenbei mache ich eine Ausbildung zur Social Media-Managerin bei der Deutschen Presseakademie, um meine Blogleidenschaft vielleicht zu einem Beruf zu machen. Und wenn ich mal nichts mit all dem zu tun habe, bin ich mit meinem Hund unterwegs. Theresa?
Theresa: Ich schreibe gerade meine Masterarbeit in Angewandter Literaturwissenschaft an der FU Berlin. Das wird ein Radiofeature über eine zweiwöchige Wanderung, die ich im Sommer gemacht habe. Wenn ich nicht an der Masterarbeit sitze, arbeite ich bei Suhrkamp in der Webredaktion und mache alles mögliche, von Info-@-Mails beantworten bis Community-Betreuung, Mediathekspflege oder Erstellen von Wikipediaartikeln zu Autoren.
Elena: Und was erwartet Ihr Euch vom open mike-Wochenende?
Mara: Spaß, vielleicht viele neue Erkenntnisse, schöne Lesungen, das Entdecken neuer interessanter Stimmen. Persönlich erwarte ich mir auch eine Annäherung ans Gedicht, mit dem ich bislang auf Kriegsfuß stand.
Elena: Auf Kriegsfuß?
Mara: Nein, so schlimm nicht, aber es fehlte mir bislang der Kontakt.
Theresa: Ich freu mich auf die Lesungen, auf die Autoren und ihre Texte und auch aufs Schreiben. Es ist eine tolle Herausforderung, in so kurzer Zeit Livekritiken zu schreiben.
Mara: Auch für mich ist das eine Herausforderung mit den Interviews, dem Einsammeln von O-Tönen. Ich habe Interviewerfahrung, aber die Gespräche habe ich dann sehr intensiv vorbereitet. Hier geht es auch darum, spontan ein Meinungsbild einzufangen.
Theresa: Ich finde, Wettbewerbe haben eine besondere Stimmung, man ist in einer Blase: Drei Tage sind wir nur im Heimathafen, da entsteht eine ganz eigene Energie, die sich auch in den Texten widerspiegelt.
Elena: Das finde ich auch die Hauptsache. Es verdichtet sich unglaublich viel, wenn Texte und Menschen aufeinander treffen. Ich persönlich finde das Schreiben dann immer leichter als alleine zu Hause.
Theresa: Du bist zum dritten Mal im Heimathafen dabei. Warum zieht es dich immer wieder hierher zurück?
Elena: Weil die Texte jedes Mal andere sind und es für mich zu Literatur gehört, immer den einzelnen Fall anzuschauen. Verstehe ich, was der Autor oder die Autorin sagen möchte, und kann ich dem gerecht werden?
Noch mehr von uns und ob wir es tatsächlich schaffen, den Autoren und ihren Texten gerecht zu werden, könnt ihr ab morgen weiterlesen. Auf diesen Seiten.
2 Gedanken zu “Ein Vorstellungsgespräch”
Toll, dass Ihr Euch hier so persönlich vorstellt und sofort via Kruso in eine Literaturdebatte einsteigt. Da wünsche ich Euch ein tolles Wochenende als Berichterstatterinnen und freue mich über Eure Berichte von „open mike“. Herzlichst, Birgit
Danke!
Wir sind gespannt auf das Abschlussurteil … oder Zwischenmeldungen.