Prosanova, das vierte Mal: ein paar Fragen an Karl Wolfgang Flender

Vom 29. Mai – 01. Juni findet in Hildesheim PROSANOVA – Festival für junge Literatur statt. Wir haben uns vor ein paar Tagen mit Karl Wolfgang Flender aus dem Organisationsteam auf einen Kaffee getroffen. 

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open mike: Das wievielte Mal findet Prosanova statt?

Karl Wolfgang Flender: Das vierte Mal nach 2005, 2008 & 2011.

 

om: Und mit wie vielen Leuten organisiert ihr das Festival?

K: Wir sind zu sechst als BELLA triste-Redaktion – die künstlerische Leitung, die das Konzept, das Programm erarbeitet haben – und dann noch ein fünfzig bis sechzig köpfiges Team von Studierenden, die in verschiedenen Projekten arbeiten. Vierzig sind die feste Gruppe, die uns in den einzelnen Ressorts unterstützen: Finanzen und Künstlerbetreuung, Orga, Presse, Marketing, sowie Raum und Rahmen. Außerdem gibt es noch Litradio, die frei assoziiert sind. Ebenso wie die Festivalzeitung. Alles Studierende der Uni in Hildesheim.

 

om: Wie lange hat es von der ersten Planung bis heute gebraucht?

K: Das erste Konzept stand im Februar 2013. Also alles in allem eineinhalb Jahre. Die heiße Phase begann dann mit dem Wintersemester: die Autoren wurden angefragt, die Suche nach einem Raum ging los, die einzelnen Teams haben mit der Arbeit begonnen. Als wir dann den Ort, eine alte Hauptschule hatten, war klar, wir sind soweit, das Festival findet statt, wir können arbeiten.

 

om: Gab es Reaktionen der Anwohner?

K: Als wir anfingen die Schule für uns in Stand zu setzen, kamen auch gleich die ersten neugierigen Anwohner und fragten: »Was macht Ihr hier?« Um alle vorzubereiten und einzustimmen, machen wir vor Beginn einen Tag der offenen Tür für alle Anwohner: Grillen& Bier. Am Wochenende vor Prosanova ist die Schule bei der Europawahl auch noch eines der Wahllokale in Hildesheim. Hoffentlich kommen die Leute dann auch während des Festivals vorbei. Ein paar Dauergäste gibt es ja, die schon ihre Karten gekauft haben und immer dabei waren.

 

om: Kommen die meisten Zuschauer direkt aus der Stadt, oder sind es sehr viele aus Berlin, Leipzig etc.?

K: Wir erwarten schon sehr viele aus Berlin und anderen Städten. Insgesamt haben wir schon mehr als 100 Karten nach Leipzig etc. verkauft. Die Hildesheimer selber kommen dann einfach vorbei.

 

om: Wie habt Ihr euch intern auf die Auswahl der Autoren verständigt?

K: Das haben wir als künstlerische Leitung zu sechst entschieden.

 

om: Gab es Ideen, die nicht geklappt haben, noch nicht geklappt haben?

K: Rainald Goetz hätten wir sehr gerne gehabt. Wir haben Briefe geschrieben, mit den Lektoren gesprochen, Juan hat sogar an seiner Haustür geklingelt – aber es wurde leider nichts. Aber alles in allem sind wir stolz und glücklich mit dem Programm.

 

om: Wie viele Einsendungen gab es für den Wettbewerb?

K: Das waren etwas über 400. Wir haben jeden der anonymisierten Text drei Mal gelesen und dann am Ende 20 ausgewählt. Die Jury hat aus dieser Longlist dann sechs zum Finale eingeladen. Diese Texte werden auch in der Sonderausgabe der BELLA triste, die zum Festival erscheint, veröffentlicht.

 

om: Ist Euch bei den Text auch das aufgefallen, was beim open mike und anderen Wettbewerben gerne bemängelt wird: das bei den zwanzig bzw. sechs, die es ins Finale geschafft haben, die mehr oder minder üblichen Verdächtigen dabei sind – vor allem als Studenten der Institute in Hildesheim, Leipzig, Biel und Wien?

K: Nur bei den letzten sechs wissen wir, wer die Texte geschrieben hat, und da sind in der Tat vier Schreibschüler dabei, aber auch zwei Autodidakten, die wir aber auch schon vom Namen her kannten.

Was die Themen aller Einsendungen angeht, das war schon sehr heterogen. Also nicht nur Familientexte oder Befindlichkeiten …

 

om: Hat Euch der Artikel von Florian Kessler und die folgende Debatte Euch in der Arbeit noch beeinflusst?

K: Für die konkrete Planung war es zu spät. Die Auswahl der Autorinnen und Autoren war ohnehin schon abgeschlossen und das Programm stand weitestgehend fest, als dass wir auf die Debatte hätten reagieren können (und wollen). Emergent wird das Thema natürlich in allen Veranstaltungen verhandelt werden, denn wenn wir von einem Panorama der Gegenwartsliteratur sprechen, wird man sehen müssen, wie professorenkinderlastig unser Programm ist. Aber es hat uns ein wenig in der Planung der BELLA-Sonderausgabe beeinflusst, deren Thema »Bekenntnisse« ist. Und selbstverständlich wird es während des Festivals mitschwingen. Eine ironische Randnotiz, völlig ungeplant, ist dabei natürlich, dass dieses Jahr all die Professorensöhne und Zahnarzttöchter in eine alte Hauptschule kommen, um ein Literaturfestival feiern.

 

om: Hattet Ihr denn im Februar letzten Jahres, als die Planung begann, eine Idee: darum wird es im Kern gehen 2014?

K: Ja, natürlich. Auch die früheren Festivals hatten ja Themen oder Leitmotive: 2005 war es die Liebeserklärung an die Literatur, 2008 Poetik, 2011 die Lesung als eigenständige Kunstform. In diesem Jahr wollen wir noch näher an den Kern ran. Zum Festival erscheint eine Sonderausgabe der BELLA triste, mit elf Bekenntnissen junger Autorinnen und Autoren zur Literatur – da sind wirklich radikale und spannende Texte entstanden. Leitmotivisch wird das Thema »Bekenntnisse« auch das Festival begleiten. Es soll nicht nur darum gehen: Wie schreibe ich? Sondern: Warum. Wie lebe ich Literatur, welchen literarische Lebensentwürfe gibt es, und diese wollen wir dann wieder in Lesungsformate übersetzen, ohne alles immer wieder haarklein zu diskutieren und erklären. Natürlich ist das Festival auch ein Bekenntnis der Redaktion zu einem bestimmten Literaturverständnis, von einer Literatur die vollkommen disparat ist, sich aber trotzdem begegnet.

 

om: Was wird denn etwa beim Social Reading mit Jan Brandt, Jo Lendle und Annika Reich passieren?

K: Jeder der drei stellt zehn Seiten eines neuen Textes auf eine Social Reading Seite, so dass die beiden anderen die Texte mit Links und Kommentaren bearbeiten können. Bei der Veranstaltung dann liest Jan Brandt seinen Text mit all den Verweisen der beiden anderen, die während der Lesung auch immer wieder eingreifen und kommentieren werden.

 

om: Was ist Euer größter Wunsch – außer gutem Wetter?

K: Das uns niemand absagt! Und das die Polizei abends nicht kommt, wenn wir feiern.