Das 7. open mike-Kolloqium zum Thema “Autorschaft”
Wie steht der Autor zu seinem Text, und wie steht er zum Markt? Was ist Eigenes, was ist Rolle? Vier Stunden Diskussion zum Thema “Autorschaft”: das open mike-Kolloqium im Studio des Heimathafens, Format für “Selbstverständigung und -vergewisserung der open mike-Community” laut Literaturwerkstatt.
Auf’s Podium geladen, sitzen sie in Viererkette vor dem Publikum: Thomas Meinecke, Autor, DJ, Musiker, Rabea Edel, Autorin und Magazin-Chefin, Nikola Richter, Autorin, Blogredakteurin und E-Book-Verlegerin, Thomas von Steinaecker, Autor, Poetikdozent und Filmemacher. Daneben Insa Wilke, Literaturkritikerin und Moderatorin – die den Themenkomplex Autor und Text mit einem Zitat aus Meineckes Buch “Lookalikes” einleitet: “Wer redet hier eigentlich?” Wie taucht der Autor in seinen Texten auf?
Nikola Richter sagt in ihren Texten “Ich” aus Lust am Performativen, und mit jedem Schreibdurchgang entfernt sich dieses “Ich” weiter von ihrer Person. Thomas Meinecke und Rabea Edel streben von gegensätzlichen Positionen aufeinander zu: Während Thomas Meinecke andere Autoren samplet, als “Stimmimitator” textlich über Bande spielt und eigene Einfälle für die Äußerungen anderer stets zurückstellen würde – “ohne schlechtes Gewissen, ich habe da ja schon mal hingedacht” –, schreibt Rabea Edel ganz intuitiv, wie sie berichtet, und steckt als Autorin “auf jeder Seite in jedem Wort” – aber natürlich nicht als Privatperson, sondern als diejenige, die für den Text eine Schreibstimme entwickelt, sich etwas ausdenkt. Was bei Rabea Edel bewusst gesteuert scheint, bezeichnet Thomas Meinecke als Abfallprodukt der schreibenden Tätigkeit: das Eigene. Es sei letztlich ein Effekt, ob ein Text nun auf Ausdenken oder Appropriieren beruhe. “Ich glaube nicht an eine eigene Stimme. Ich persönlich habe den Anspruch, mir gar nichts auszudenken”, so der Älteste, der irgendwie am Jüngsten wirkte auf diesem unaufdringlich beflissenen Podium.
Für Meinecke jedenfalls bleiben die Texte der Anderen fremd, aber “in einem drin wie Fremdkörper”. Was bei ihm nach kannibalischem Wohlgefühl klingt und ihn beflügelt, frustriert Thomas von Steinaecker: Obwohl auch er Zitate in seinen Romanen versammle, sei er auf der Suche nach der eigenen Stimme – im Wissen, dass, wann immer er etwas sage, andere das bereits gesagt hätten und im Zweifel besser. Von Steinaecker beschreibt die Not des Literaturwissenschaftlers, der hinter dem vermeintlich Eigenen immer schon die vorgängigen Texte sieht. Auf der Produktionsseite am ominösen Eigenen scheiternd, siedelt er es auf der Rezeptionsseite an, als ein Grundkriterium für die Beurteilung literarischer Texte, und als Lesehaltung, die Genreerwartungen entspringt – einen Roman liest man mit weniger Autoren-Ich-Erwartung als eine Autobiographie.
Das Eigene, so das unausgesprochene Fazit des ersten Themenblocks, ist eine wackelige Angelegenheit, weder eindeutig in einen Text hineinzubringen noch sicher aus ihm herauszulesen. Und die Frage nach dem Anteil des Autors in seinem resp. ihrem Text sei irgendwie “irre”, so Nikola Richter, fast 50 Jahre nach dem theoretischen Tod des Autors.
Auch die Stellung zum Markt ist keine leichte Sache: Enteignung durch Journalisten oder das Verlagsmarketing, das ist die Sorge auch junger AutorInnen im Publikum. Die Strategie? Überlegen, welchen Nutzen man in einer Vermarktung via Facebook, Twitter oder Webseite sieht, rät Rabea Edel. Sie hat ihr Autorenimage so fest im Griff wie möglich: Mittlerweile gibt sie, die mit 23 Jahren debütierte, jedes Interview frei und sichtet jedes Foto vor der Veröffentlichung. Über Facebook hält sie Kontakt zu einer Lesergemeinschaft, pflegt die offizielle Figur Rabea Edel. Aber das verschlinge Zeit, lenke ab. Davon kann auch Thomas Meinecke ein Lied singen, der um die 5.000 Facebook-Freunde hat. Jeden Tag entfreunde er vier, fünf Menschen, um den Fanpage-Status zu vermeiden.
Die beiden haben kein Problem mit der Mehrberufigkeit, Thomas Meinecke freut sich darüber: er würde ohne den Input versauern. Und vom Verkauf seiner Bücher könne er nicht leben, aber davon, in einem diskursiven Zusammenhang zu stehen – als DJ werde er auch gebucht, weil er Literat sei. Die eine Rolle fördert die andere. Auch Nikola Richter streitet engagiert für eine dialogische, den Netzmöglichkeiten zugeneigten Literatur, die sie in Gegensatz bringt zu einer quasi-autistischen Elfenbeinliteratur. Da widerspricht Thomas von Steinaecker, der von den geladenen Autorinnen am meisten der Schreibklausur zugelehnt scheint, höflich: “Es ist schwierig, in Phantasien zu leben, der Elfenbeinturm ist vom Nichts bedroht.” Ob es möglich sei, sich dem Betrieb zu entziehen, fragt er denn auch. Eher nicht, so die einhellige Antwort.
Im Publikum rumort es etwas nach den vier Stunden Frontaldiskussion, einer Tour de force zum Thema “Autorschaft”, die alle möglichen Haken schlug, mal anregend, mal ermüdend. Was offen geblieben ist: hier nachtragen.