Es wassert und wuchert, scheuert und schuppt, früchtet und flickt: Üppig bestückt Yevgeij Breyger seine See- und Angelstücke mit verbalen Bildern.
“ehemals standsicher
eine böschung, kaum vorzustellen: / geflutet, eignet sich vorzüglich / zum sammeln von schwemmgut, / kriecht das aus allen ecken. / ich erforsche täglich die küste, / ein breitgelegenes wirrsal, / gebe etlichem einen begriff. / neulich habe ich eine lilie / zum kompass gefaltet, fortan / trage ich ihn kühn vor mir her.”
Gelegentlich dunkle Bilder tauchen auf, etwa das “gekerbte projektil”. Angler- und Fischereiwortschatz wellt auf und ab. Die Texte scheinen über den Zyklus hinweg zu korrespondieren: Steht in einem Gedicht eine “obstschale / reif gefüllt”, finden sich im nächsten “früchte allerlei”; “algen” werden als “rhodophyta” botanisch präzisiert. Der Eindruck: genau komponiert.
Eingeschoben urkomische Miniaturen: wie der Protagonist aus der Koje stürzt oder mit einer Böschung kämpft (“was trieb mich, trieb mich die böschung hinunter?”). Auch ein jugendlicher Unernst, wie im Gedicht “der betroffene beschrieb ein küstentier, meinte sich selbst”, das vom “paradonton“ handelt, mit seinem “garnähnlichen fell” ein Verwandter des Odradek.
“das paradonton ist hydrophob und leidet an chronischer angst vor sich selbst (es scheißt sich ein, wenn es seinen eigenen schatten sieht).”
Das Paradonton als Alter Ego? Beim Vorlesen ändern die Gedichte ihre Anmutung: beständig und ernsthaft reiht Breyger die Worte. Beim Lesen vermutete ich eine Literaturbetriebssatire. Hat der “heuerbaas” den “matrosen breyger” auf’s Schiff gelockt? “ich schnitzte das schlüsselgeheimnis ins holz. lüge.“
„das matrosentum ist eine metapher, das matrosentum / ist kein wort. schau, meine hand im stroboskoplicht: / dies ist mein milieu, da gehörst du hin!”
Der Autor als Menschenfischer, der “den haken sicher fassen” lässt: uns angelt? Das Motto des Zyklus: “Erst den Ort suchen, dann einen Köder wählen.” Mal sehen, was Breyger beim open mike so fischt.
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