„Der Himmel so groß, das Land so mächtig. Am Horizont Kiefern, trichterförmig und ausladend wie die Tasten einer alten Schreibmaschine. Friedliche Hügel. Über und unter ihnen eine gewalttätige Geschichte.“
Es ist die Geschichte eines Massengrabs in der spanischen Provinz. Opfer der Franco-Ära, die nun von freiwilligen Archäologen ausgegraben werden – weil die Regierung sich vor der Aufarbeitung sperrt, weil die Dorfbewohner selbst uneins sind, ob sie wissen wollen, was da zu Tage kommt.
„Der ein oder andere spuckt schon mal aus, wenn er die Archäologen trifft. Tierra oder mierda aufwühlen, das liegt nah beieinander. Knochen sind nur gut für Fleischbrühe.“
Verena Boos nähert sich diesem vielschichtigen Prozess der Grabung und Aufarbeitung von verschiedenen Seiten, stellt poetische Landschaftsbeschreibungen gegen die Stimmen der Dorfbewohner, beleuchtet das Geflecht zwischen Opfern, Tätern, Hinterbliebenen und den Freiwilligen, die in heroischer Selbstaufgabe Dienst an der Geschichte tun.
„Ohne meine Fotos und Aufzeichnungen wüsste ich nicht mehr, was gestern, was vorgestern war. Die Hände riechen dauerhaft nach Handschuhen. Schattierungen von Rostbraun bleiben nach dem Waschen in Hautfalten und Nagelbetten. Die weißen Shirts, die ich abends trage, haben braune Ränder. Auf dem Kissen bleibt ein gelblicher Fleck in der Form meines Kopfes.“
Stimme zwei: Elena
Hervorragend gewählte Zitate! Aber nicht immer verhält sich der Text allzu geschickt angesichts des thematisch nahe liegenden Hochpathos. Das letzte Wort etwa hat der Angehörige eines Exhumierten:
„Heute habt ihr es geschafft, dass sich das Licht der Sonne erneut über unsere Lieben legt, während ihre Mörder tiefer ins Reich der Schatten gesunken sind. Ihr habt eine Wunde geschlossen, die endlich vernarben kann. Diese Narbe darf nicht verschwinden, denn ein Verbrechen dieser Art darf nie in Vergessenheit geraten. Aus Schlamm und Steinen habt ihr unsere Kameraden in die Ewigkeit gehoben.“
Ein Gedanke zu “Verena Boos „Knochenarbeit“”