„Kuckst du ‚Mad Men‘?“, fragte ich einen Freund, im Frühling.
„Ich weiß, wie viele Leute ‚Mad Men‘ mögen…“, antwortete er. „Aber jedes Mal, wenn es im Fernsehen läuft, schalte ich in dieselbe Szene: eine Frau sitzt am Schreibtisch. Eine andere Frau tritt hinzu. Sie sagt: ‚Hier ist der… Tacker.‘ Dann starren sich beide an – schweigend und ernst.“
Ich bin auf Seite 300 eines Romans (Link) mit Dutzenden Figuren, Wendungen, Konflikten. Ich habe 15 Minuten Zeit für diese Lesung. Das reicht nicht, um ein Panorama aufzuspannen, alle Figuren zu erklären.
Wofür bleibt Zeit?
Für eine „Hier ist der… Tacker.“-Szene.
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- Das Licht? Warm. Freundlich.
- Das Publikum? Anspruchsvoll. Wach / konzentriert.
- Mein Vortrag? Entspannt! (Huch? Kein Lampenfieber, kein Haspeln.)
- Mein Text? 15 Minuten, ab Seite 220: Sonja und Frank. Stoffs Party-Zimmer. Ein schmutziger Pool. Ein „Tacker!“-Moment.
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- …als Dritter gelesen, vor ausgeruhtem Publikum. Guter Zeitpunkt / Slot!
- schwierig / unsympathisch: dass die Lektoren, die den Autor eingeladen haben, einleitende Worte sprechen. Den Autor vorstellen. Und Wendungen, Motive, Stimmungen des Texts benennen – noch bevor der Text gelesen wird.
- großes Glück: dass Birgit Schmitz (Berlin Verlag), die „Zimmer voller Freunde“ auswählte, dem Text eine Hammer-Vorstellung schenkt, und die richtigen Fragen stellt: Ist das Pop? Oberfläche? Ironie? Namedropping?
- „Hier läuft doch noch was anderes…“, knurrt ein Ermittler in „Salt“ [mit Angelina Jolie]. Birgit Schmitz sagt: Kuckt hin. Findet die Zwischentöne. Das andere. [Yeah! Danke!]
- schade / verschenkte Chance: dass die Jury (Silke Scheuermann, Thomas von Steinaecker, Marcel Beyer) schweigen muss, und erst zur Verkündung der Gewinner kurz spricht.
- die Freunde…? Loben mein „Tacker“-Intro und meinen Vortrag.
- aber…: „Stefan? Pass auf: Kaum jemand konnte verstehen, dass Frank viel jünger ist als Sonja. Dass Sonja Maklerin ist. Wie Timo in die Szene passt, und Franks Eltern. Der Text hat Sog – aber diese Verrätselung braucht kein Mensch! Sag das nächste Mal klar: Sonja ist 37. Frank 18. Das muss sein!“
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und: Anika war hier! Sebastian. Simone. Kai. David! „Nimm erstmal Baldrian“, sagt Vea. „Du bist ganz durcheinander…!“
Ich bin fahrig. Glücklich. Umgeben von Freunden. Wach / aufgekratzt. In meinem Element.
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- Lesungskritik zu meinem Auftritt, von Blog-Kollegin Elena Philipp (Link: lesen!)
- „Zimmer voller Freunde“: Roman-Exposé in Bildern (Link)
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4 Gedanken zu “„Zimmer voller Freunde“: meine Open-Mike-Lesung”