Düster geht es in den dritten Block. Grit Krüger entführt uns mit ihrem Text Brauch in das Umfeld eines dunklen Dorfes.
Hinter dem Autobahnkreuz liegt ein kleines Dorf. Aus dem Dorf kommt die Freundin der Protagonistin aus Grit Krügers Text Brauch. Die Erzählerin erinnert darin ihre Beziehung zu der Dorfbewohnerin. Wie sie anfängt, am Kiessee, schüchtern. Dann weitergeht, sie oft bei der Erzählerin in der Stadt ist, sie sich unterhalten. Und wie die Beziehung schließlich mit einem Schlag endet.
Getragen wird der Text von dem Rätsel, das das Dorf umgibt und die Beziehung der beiden zueinander stets überschattet. Immer mehr Versatzstücke trägt die Erzählerin zusammen. Alles dreht sich um einen eigenartigen Brauch: Die Frauen sammeln Haare, Milchzähne, Schuppen und gar Wundschorf der Männer, um diese Sammlungen dann in ihren Häusern zu verstecken.
Die Sammlung wird im Haus verborgen. Die Häuser im Dorf sind alt, sie kauern sich über ihre Geheimnisse. In jedem gibt es eine Stelle, die sich dafür eignet: einen Winkel unter der Dachschräge, eine Nische unter der Treppe, einen Hohlraum zwischen zwei Balken. Überflüssiger Platz, würde man in Neubauten anderswo vielleicht sagen.
Ein angenehmer Grusel begleitet die Lektüre wie auch die Lesung von Brauch. In melancholischem Ton tropft die Erzählung dahin, immer betont ruhig fließen die Erinnerungen in einfachen, rhythmischen Sätzen. Die Wechsel zwischen Erinnerung und Gegenwart sind gut eingearbeitet und wirken organisch.
Grit Kügers Text bearbeitet die Themen Zugehörigkeit und Brauchtum, die immer weiter fortschreitende Abschottung verschworener Gemeinschaften gegen ein als feindlich wahrgenommenes Außen. Dagegen steht die Perspektive der Erzählerin, die sich nach der Nähe der Freundin sehnt. Aber gilt ihre Zuneigung wirklich der Person oder doch eher dem Geheimnis, das sie umgibt?
In seiner ruhigen Einheitlichkeit kann Brauch sprachlich überzeugen, auch die Dramaturgie stimmt. Was ein wenig zu kurz kommt, ist die darunter liegende Erzählung, der dringliche Kern, der transportiert wird, und über die gut inszenierte Stimmung noch weiter hinaus weisen würde.