Simoné Goldschmidt-Lechner: Ermutterung

Zwischen den Sprachen und Kulturen verortet sich auch Ermutterung von Simoné Goldschmidt-Lechner, und schaut von dort ganz besonders auf die Rolle der Mutter.

Ermutterung lebt von Beschleunigung und Verlangsamung, von der Bewegung zwischen dem alten Leben in Südafrika und dem neuen in Deutschland. Er beginnt mit einer verdichteten Schöpfungsgeschichte, die an Sagen der griechischen Mythologie gemahnt, um dann gleich in den Konflikt zwischen den Welten zu fallen.

Was bleibt von Mutter, nachdem sie Rilke liest und beschließt, Deutsch zu lernen?

Deutschland ist die Entschleunigung, die Ruhe, die sich in Häuslichkeit, in einem unpolitischen Stillstand zementiert. Doch nicht ohne Gewalt ist diese unbewegliche Welt. Wurde sie früher aufgrund ihrer Hautfarbe diskriminiert, ihrer politischen Anschauungen, Handlungen, ist sie hier vor allem die Fremde, die Andere, der misstraut wird. Auch ihre Rolle der Frau, der Mutter noch mehr, kommt ihr erst hier wie ein überaus zweifelhaftes Schicksal vor.

Als Mutter in Deutschland ankommt, fragt Tante M. den Kindesvater: »Was kann’s denn kochen, was du isst?« Und Mutter erwidert: »Frikadellen.« Und sie macht gute Frikadellen, sie würzt das Hackfleisch richtig, knetet es durch und formt gleichmäßig große Kugeln. Die Ruhe ist der Schlüssel beim Kneten, der alte Feind, und Mutter hat sich mit ihm eingerichtet. Das Kneten erschöpft sie so, dass keine Energie mehr bleibt für die Bratkartoffeln. »In den Mehl einlegen«, weist sie den Kindesvater an, »dann die Topf anmachen.«

Ermutterung agiert zwischen den Sprachen, montiert Gegenwart und Vergangenheit auf kunstvolle Weise mit Geschwindigkeit und Verlangsamung. Die Sätze passen sich den Situationen an, lassen keinen Zweifel zwischen den Orten, an denen sie sich gerade befinden. Schnell und aktiv war Südafrika, langsam und lakonisch die deutsche Gegenwart, die Tristesse in der Reduzierung ihrer Person auf die Rolle der Mutter.

Die Kontraste stehen krass gegeneinander, und doch treffen sie sich in dem Moment des Frauseins. Dabei schwebt über allem die Frage: Wer spricht hier? Die auktoriale Perspektive ist stark personal in Richtung der Mutter gebogen, und doch bleibt durchweg ein großer Abstand, wieder gebündelt in diesem einen Wort: Mutter. Der Text übt Kritik an der sozialen Konstruktion, die die Fesseln oft zu eng zieht und keine Bewegung mehr erlaubt. Weder die eigene Sprache bleibt der Mutter, noch die Freiheit, zu sein, wie sie es sich wünscht.

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