Rebecca Gisler erzählt von der Verantwortlichkeit einer Angehörigen ihrem kranken Onkel gegenüber und von seinem Ausbruch aus der Rolle des Pflegefalls. Vor allem aber ist Hippobosca eine atmosphärische Suche durch ein sich wandelndes, unberechenbares Terrain.
Der pflegebedürftige Onkel der jungen Erzählerin, der sich sonst in seiner häuslichen Routine verkriecht, ist plötzlich verschwunden. Also begibt sich die Erzählerin auf die Suche nach ihm. Dabei ist ihr Weg dauerhaft vorgegeben und das Ziel ist klar. Dennoch führt er sie durch das abgeschiedene Dorf, vorbei an den redseligen Nachbarn, in die ausufernd-wuchernde Natur, bis an die flimmernde Weite einer Meeresbucht.
er wollte sich nie waschen, nie mehr wieder, er wollte in seinem Schweinestall waten und sowieso wahrscheinlich lieber sterben als zurück nach Hause gehen.
Dass jeder Abschnitt aus nur einem Satz besteht, fällt durch die Feinfühligkeit der Sprache nicht auf. Hippobosca bleibt unaufgeregt und schildert doch eine einschüchternde Natur in schönen Beschreibungen. Gleichzeitig wird diese Atmosphäre, insbesondere wenn man sich gerade in der Harmonie des Textes verliert, abrupt durch Abartigkeit unterbrochen. So kriecht die Erzählerin durch eine Wiese und weicht nicht nur Insekten und Würmern aus, sondern auch den Fäkalien ihres Onkels.
aber je weiter ich voranschreite, desto höher werden die Farne und länger die einzelnen Äste, sie kratzen und ohrfeigen mich
Hier und da wirkt der Text etwas offen. Zusammenhänge ergeben sich nicht immer, man würde gern mehr über die Erzählerin und ihre Beziehung zum verschwundenen Onkel erfahren. Dennoch schildert Rebecca Gisler ihre Suche ehrlich und überzeugt durch Perspektivwechsel. Sie überrascht und beschreibt so schön, dass sich die offenen Fragen vergessen lassen.
Ein Gedanke zu “Rebecca Gisler: Hippobosca”