Angie Volk: Das Schicksal der Edlen Steckmuschel

Zum ersten Mal an diesem Wochenende wird tatsächlich der Klimawandel erwähnt! Bei Angie Volk geht es aber auch um Zwiebeln und Meeresfrüchte.

Kulinarisch-lyrische Prosa? Vielleicht könnte man Angie Volk in diese Sparte einordnen: In zwei ihrer drei Miniaturen kommen Lebensmittel vor. Mal schält die Erzählerin mit ihrer Großmutter Zwiebeln und fragt sich, warum sie feuchte Augen bekommt, Oma aber nicht. Mal ist die Erzählerin in einem Date gefangen, ihr Gegenüber schwingt sich – mit Mayonnaise-verschmiertem Gesicht und einem großen Fetzen Krebsfleisch zwischen den Zähnen – zu einem besserwisserischen Vortrag über Meeresfrüchte auf:

Das Schicksal der Edlen Steckmuschel,
sagt er schließlich,
sei eine schlimme Tragödie,
eine Katastrophe
und nur eins von unendlich vielen Beispielen
für die schreckliche,
widerwärtige
und immense
Ignoranz
auf der unsere Menschheit fuße.

Die Muscheln würden zu Tausenden von einem Parasiten hinweggerafft, das liege am Klimawandel. Der Klimawandel! Während wir bei den letzten Lesungen zwischen Menstruationsfeminismus und Dorfidylle gewechselt haben, widmet sich endlich mal jemand den brandaktuellen Themen. Doch Volk geht letztendlich nicht weiter darauf ein, wechselt zu Oma und den geschälten Zwiebeln.

Drei Miniaturen, zwischen denen auf den ersten Blick keinerlei Zusammenhang besteht. Doch den gibt es, erklärt Lektorin Martina Wunderer: Im ersten Text sei die Erzählerin eine stumme Beobachterin, im zweiten werde sie zur halb-aktiven Zuhörerin, im dritten selbst zur Sprecherin. Gemein ist den Figuren auch, dass sie allesamt aneinander vorbei sprechen, es kommt zu keinerlei Dialogen, es überwiegt das gegenseitige Missverstehen oder die Ignoranz des Gegenübers.

Hast du mir überhaupt zugehört?

Angie Volk hat eine einfühlsame und humorvolle Art, Menschen und ihre Eigenheiten zu beschreiben, geht dabei aber manchmal nicht über die oberflächliche Charakterisierung hinaus. Möchte man nicht mehr über den unangenehm dozierenden Steckmuschel-Experten wissen? Oder erfahren, ob Oma nur an ausgedörrten Tränendrüsen leidet oder einen anderen Grund hat, bei Zwiebeln standhaft zu bleiben? Drei kleine Miniaturen, drei Möglichkeiten für längere Texte!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.