Sebastian Behr mag Beschreibungen, detaillierte Beschreibungen. Von Schwimmbädern, die »alle 30 Minuten etwa 50 Zentimeter hohe Wellen erzeugen« oder von »strahlend weißen Wänden mit roten Bordüren.« In seinem Text Verschwinden verliert er sich manchmal darin. Lektorin Eva-Maria Kaufmann lobt das »beeindruckend präzise Prosa-Gebilde« und das »Verhältnis zwischen den Räumen und den Menschen darin«, sie sagt schlicht: »Er ist toll.«
Als wir protestierten und nicht gehen wollten, bot uns der Polizist Kaffee an. (…) Wir verbrannten uns die Finger.
Sebastian Behr
Es gibt sechs Teile in diesem Text, alle aus der Ich-Perspektive erzählt, doch es erschließt sich nicht ganz, wie sie miteinander zusammenhängen. Ob immer dieselbe Person spricht, ob die Teile im selben Jahr spielen oder ob es Zeitsprünge gibt. Im Abschnitt »Reise« geht es um eine Fahrt entlang der Saale, was vermuten lässt, dass der Text in Ostdeutschland spielt. Der Autor wurde 1986 im sächsischen Meerane geboren, in der Nähe des Erzgebirges ist er in einem kleinen Dorf aufgewachsen. Er könnte wahrscheinlich starke Prosa über Ostdeutschland schreiben, er könnte vielleicht etwas über den Rechtsruck und dessen Ursachen schreiben.
Doch das tut er nicht, das tut dieser Text nicht. Er kratzt an der Oberfläche, eine Straßenblockade wird zum Spaß gemacht, erst sehr spät wird plötzlich ein Kind erwähnt und man fragt sich, wo es vorher war. Man glaubt der Erzählerin gar nicht, dass sie mitten im Geschehen ist, so distanziert und konservativ wirkt der Text.
Ohne jegliche Dialoge verwandelt dieser Text sich in ein Rauschen. Eines, das im Hintergrund bleibt und langsam und spurlos wieder aus den Gedanken verschwindet. Trotzdem hat Sebastian Behr ein gutes Gespür für das Szenische. In einem anderen Text, in dem er wirklich etwas zu sagen hätte, wäre das die große Stärke.