Wie schreibt man über eine Krebserkrankung, ohne in Gefühlsprosa abzudriften? Lisa Krusche gelingt diese Gratwanderung.
Wenn ein Mensch an Krebs erkrankt, stellt das nicht nur das eigene Leben von jetzt auf gleich auf den Kopf, sondern auch das der Angehörigen. Wie geht man damit um, wenn der Partner seinen gewohnten Alltag gegen Chemotherapie und Bestrahlung eintauschen muss? Lisa Krusche konfrontiert ihre Erzählerin mit genau dieser Situation. Ihr Freund Paul bekommt vom Arzt die Diagnose: »Entweder Darmentzündung oder Tumor« – es ist dann tatsächlich der Tumor, ein bösartiger sogar.
Man ist jetzt Angehörige. Ich sehe dabei zu, wie die Krankheit alles erobert. Wie sie mit ihrer raumgreifenden Attitüde alles für sich beansprucht. Fuck you, denke ich. Fuck you so hard.
Wie organisiert man nach so einer Diagnose den Alltag, wie kann man sich um etwas so Banales wie Wäschewaschen oder den Einkauf kümmern, wenn ein geliebter Mensch mit dem Tod kämpft? Das verzweifelte Ringen um Normalität zwingt die Erzählerin immer stärker zur Selbstbeschau: Verhält sie sich richtig, spendet sie genug Trost, wie kann sie Paul überhaupt helfen? Und ist es »normal«, dass man inmitten dieser Überforderung einfach gar nichts mehr fühlt?
Ich hocke mich in einen Entsafter, um meine Gefühle zu extrahieren.
Lisa Krusche gelingt es, die Hilflosigkeit und gleichzeitig die im »Überlebensmodus« hervorstechende Stärke der Erzählerin in eine nüchterne Sprache umzusetzen, die auf jeden Pathos verzichtet. »Mich hat der Text beim Lesen im Nacken gepackt und gezwungen dort hinzuschauen, wo man lieber wegsehen möchte«, sagte Lektorin Nadya Hartmann in den einführenden Worten. Und tatsächlich hört man bei Lisa Krusche, die den Text mit sanfter, wogender Stimme vorträgt, völlig gebannt zu.