Das Thema rückt in den letzten Jahren mehr und mehr in unser Bewusstsein: Wer bewertet die Inhalte, die auf den sozialen Medien als gewaltverherrlichend markiert werden? Wie ist es, hauptberuflich Kinderpornografie, Terrorismus und hate speech ausgesetzt zu sein? Diesem Thema nimmt sich Grit Krüger in ihrem Text »Unser Job« an, in dem die Protagonist*innen Bilder und Videos mit Gewaltdarstellungen beurteilen müssen. Sie sind die sagenumwobenen Content Cleaner.
Jagi schätzt, dass sie etwa 30 Suizide gesehen hat.
Es ist ein akribisch getaktetes, quasi maschinelles Arbeiten – 1,5 Sekunden für ein Bild und 8 für ein Video haben sie im Durchschnitt, um zu entscheiden, ob sie den Inhalt »löschen oder lassen« sollen; wer unter dem Tagessoll von 2000 Beiträgen bleibt, wird abgemahnt. Die Abstumpfung ist vorprogrammiert. Bedenklich wird es für die Ich-Erzählerin, als die Inhalte, denen sie Tag für Tag ausgesetzt ist, in ihre Träume eindringen. Und als der Ort, den sie für den nächsten Urlaub auswählt, von einem Horrorvideo, das sie beurteilt hat, inspiriert ist. Die Medien überlagern die Realität.
Am Mittwoch weiß ich: Jagica kommt nicht mehr.
Mit »Unser Job« ist Grit Krüger ein intelligenter Kommentar gelungen. Anhand der Entwicklung der Ich-Erzählerin stellt sie plausibel da, wie die Abstumpfung sich entwickelt, und anhand der Arbeitskollegin Jagica, wie die langfristigen Folgen aussehen können. Ihre Figuren sind nicht eindimensional, Krüger will kein Mitleid, im Gegenteil: Die Abstumpfung bewirkt, dass sich die Angestellten in der Agentur nach einem Zweitverdienst mit den expliziten Bildern umsehen.
Ohne große Überraschungen zwar, aber mit gekonntem Spannungsbogen und klar umrissenen Figuren erzählt Grit Krüger von einem Thema, das aktuell und zeitlos zugleich ist. Und dem wir uns in Zukunft noch öfter stellen werden müssen. Denn was macht es mit den Menschen, die Tag für Tag diese Inhalte sehen müssen? Und was entsprechend mit unserer Gesellschaft?