»Robin Wood« wird er genannt, der Protagonist in Merle Müller-Knapps Text »Feldzeit«. Robin Wood, weil er gegen bestehende Strukturen rebelliert, die frei sind von jeglichem Sinn: In einem Dorf verschimmelt Obst auf den Wiesen, weil es zwar verboten ist, es zu pflücken, sich aber von den Verantwortlichen keiner um die Ernte kümmert.
Vorhang auf für Walther Probst (richtig erkannt, das Wort »Obst« steckt schon im Namen), der sich der verwaisten Kirschen und Äpfel annimmt. Dies tut er aber nicht, um sich selbst zu bereichern. Vielmehr legt unser Robin Wood seine Ernte als anonyme Geschenke vor diversen Haustüren ab – illegal ist es trotzdem.
Würde der Verein mit einer ordentlichen Ernte beginnen, selbstverständlich würde er seine Aktivitäten sofort einstellen.
Von seinem Idealismus angesteckt, schließen sich ihm bald zwei weitere Männer an, die die Pseudonyme Richard und John wählen. Das Trio ist komplett. Und Robin Wood wäre nicht Robin Wood, würde er sich nicht vor seine jugendlichen Begleiter stellen, als sie eines Tages erwischt werden.
Idealismus, ja, aber frei von Kitsch: Müller-Knapp gelingt es mit ihrer ruhigen Erzählweise ohne große Experimente, aber mit logischem Spannungsboden, eine stimmige Geschichte mit leiser Gesellschaftskritik ganz ohne erhobenen Zeigefinger zu erzählen. Begleitet wird der Plot von Humor: Die Obstwiesen gehören einem gemeinnützigen Verein, der sich ob überbordender Bürokratie als alles andere als gemeinnützig erweist.
Nebenbei bemerkt sei, dass »Feldzeit« eine der wenigen Beiträge des open mikes ist, der nicht aus der Ich-Perspektive erzählt wird, sondern im besten Sinne einer traditionellen Narrative folgt.
Vor sehr langer Zeit war dieser Ort sein Ort. Herr Probst zählt einundzwanzig Kirsch- und Apfelbäume, die er selbst gepflanzt hat.
Was die Anthologie übrigens nicht verrät, Lektorin Katja Sämann auf der Bühne aber nachholt: »Feldzeit« ist der Auszug eines Romanprojekts von Merle Müller-Knapp, das sich um den »Kosmos einer Kleinstadt« dreht. Wir dürfen gespannt sein!