Christian Hödl: Baumgrenze

Sie machen einen Roadtrip durch Australien, der Ich-Erzähler mit seinem Freund Aaron, und auf der Rückbank: seine Mutter. Die Mutter, die sich bemüht zu akzeptieren, dass ihr Sohn schwul ist. Und auch der Vater des Protagonisten ist präsent – aufgrund seiner spürbaren Abwesenheit, der Lücke, die er hinterlassen hat: Wenige Monate vor Antritt der Reise verstarb er nach schwerer Krankheit. Dass sein Sohn homosexuell ist, hat er nie erfahren.

Mama flüsterte: »Das kannst du ihm doch ersparen. Das regt ihn bloß auf.«

Christian Hödls »Baumgrenze« lebt von den (mitunter komplizierten) Beziehungen der drei Protagonisten zueinander. Von dem, was ungesagt im Raum steht, und den fast hilflosen Versuchen, dem Gegenüber angemessene Zuneigung zu zeigen. Als »präzise Blickführung« bezeichnet Lektor Jan Valk dies und bescheinigt dem jungen Autor eine »sehr feine Sprache«, mit der auf »extrem nuancierte« Weise zwischenmenschliche Themen im kleinsten Kreise verhandele.

Genau diese Beschreibung von zwischenmenschlichen Themen im kleinsten Kreise gelingen Christian Hödl ausgezeichnet. Allein der Tod des Vaters ist wie ein Fremdkörper in der Geschichte; die Bedeutung wird nicht wirklich herausgearbeitet. Trotz einiger eingeflochtenen Erinnerungen merkt man dem Protagonisten seine Trauer über den kürzlich verschiedenen Vater nicht an. Ist das beabsichtigt? Ein wenig scheint, als sei des Vaters Rolle ausschließlich jene, die immer noch mangelnde Toleranz vieler zu symbolisieren.

Sie dreht sich Richtung Heckscheibe. Die Tankstelle hinter uns wird immer kleiner, und ich weiß, dass sie sich gerade schämt.

Einen stärkeren oder gar alleinigen Fokus auf die fast unangenehme, aber doch liebevolle und realistische Konstellation dieses ungewöhnlichen Trios hätte dem Text keinen Abbruch getan. Denn Hödl beweist in der Tat einen nuancierten Blick und Sinn für Details und Gefühle, die realistisch geschildert sind. Von dem einen Kritikpunkt des Vaters als Deus Ex Machina abgesehen, kann Christian Hödl wirklich erzählen. Wir dürfen uns auf zukünftige, noch gereiftere Texte freuen.

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