Was wir noch sagen wollten: Drei Abschlussfragen an die Blogger

Was war für Dich die größte Überraschung?
Ann-Kathrin: Als beim Turtle-Text auf einmal der Wecker klingelte – da habe ich mich im Kommentier-Rausch ziemlich erschrocken.

Marie: Überraschungskandidatin Franziska Giffey.

Samuel: Dass es keine größte Überraschung gab – nicht diesen einen Bombasttext, der alle anderen in den Schatten gestellt hätte. Womöglich geht solch ein Anspruch aber auch am open mike, seiner Ausrichtung und Funktion innerhalb des Literaturbetriebs vorbei.

Theresa: Dass Anja, die das ganze Wochenende über den schönen Büchertisch im Foyer betreut hat, im Anschluss an die Lesungen vom Samstag auch noch bei der Open Mag Party gearbeitet hat und am Sonntag in aller Frühe wieder Gewehr bei Fuß stand – Respekt.

 

Gab es eine Enttäuschung?
Ann-Kathrin: Dem open mike wird ja immer wieder aufs Neue derselbe Vorwurf gemacht, die Texte seien nicht politisch, nicht „relevant“ genug. Leider sehe ich ihn auch in diesem Jahr bestätigt. Da ich aber keine großen Erwartungen gestellt habe und recht frisch und vorurteilslos in die Veranstaltung gegangen bin, empfinde ich nun keine Enttäuschung. Ich habe viele schöne Texte gehört und bin mir sicher, dass jede Autorin und jeder Autor Herzblut in diese Geschichten gesteckt hat und das setze ich irgendwie voraus.

Marie: Große Enttäuschungen gab es diesmal nicht, aber ich hätte Lisa Goldschmidt den Lyrikpreis gegönnt. Formal, inhaltlich wie auf der Bühne war es eine super Performance, über die Pina Bausch sich gefreut hätte.

Samuel: Es wurde zu wenig gelacht. Der Unterhaltungswert der Beiträge war bis auf wenige Ausnahmen (Nuss, Dierkes) nicht sehr hoch. Also, mario-barth-artige Kalauer sind jetzt nicht gemeint, eher eine kluge Komik, die einem ernsten Anspruch gar nicht im Weg zu stehen braucht. Viele Texte waren auf eine brave, durchdeklinierte Art ernst, es gab keine Lücken, kein Vertrauen in das Abwegige und Absonderliche.

Theresa: Ich bin niemand, der thematische oder inhaltliche Ansprüche an literarische Texte stellt. Von daher ist es weniger eine Enttäuschung als vielmehr eine Verwunderung darüber, dass sogenannte „Relevanzthemen“ eine untergeordnete Rolle im diesjährigen Wettbewerb gespielt haben. Ja, auch Geschichten über Löcher können großartig sein! Aber interessieren oder trauen sich junge Autor*innen nicht an Fragen aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen oder an Themen wie beispielsweise Flucht und Migration? Wenn ja, warum ist das so? Gibt es da womöglich die Angst, einem bestimmten Erwartungsdruck nicht gerecht zu werden? Wie könnte man einen solchen Druck nehmen? Oder gibt es solche Texte und sie wurden einfach nicht ausgewählt? Ich gehe eher fragend als enttäuscht aus dem Wettbewerb.

 

Dein Fazit zum open mike 2016?
Ann-Kathrin: Ich möchte Friedrich Schlegel zitieren, auf dessen Zitat ich gestoßen bin. Besser kann ich es selbst nicht in Worte fassen: „Folgendes sind allgemeingültige Grundgesetze der schriftstellerischen Mitteilung: 1) Man muß etwas haben, was mitgeteilt werden soll; 2) man muß jemand haben, dem man’s mitteilen wollen darf; 3) man muß es wirklich mitteilen, mit ihm teilen können, nicht bloß sich äußern, allein; sonst wäre es treffender, zu schweigen.“ (aus: Kritische Fragmente)

Marie: Ich liebe es, wenn Arbeit Spaß macht!

Samuel: Viel Übliches und gängig Hergestelltes, so, als folge man einer Dr.Oetker-Backanleitung. Dementsprechend stach das weniger Eingängige aber auch besonders heraus, die listigen, schnellen und ausgetüftelten Texte, denen tatsächlich ein eigener Stil innewohnte. Auffallend war zudem, wie uneinheitlich die Kriterien der Lektor*innen waren. Der eine lobte Texte aufgrund der gegenwärtigen Relevanz, die andere begründete ihre Auswahl damit, dass ihr Autor auf angenehme Weise nicht auf Zeitfragen eingehe.

Theresa: Sehr d’accord mit der Juryentscheidung, obwohl ich finde, dass der großartige Text von Kristin Höller mindestens mit dem Sonderpreis Goldenes Mettbrötchen hätte ausgezeichnet werden dürfen. Außerdem mal wieder ein tolles Blogger-Team, vielen Dank für die schöne Zusammenarbeit!