Juror Björn Kuhligk an die Autorinnen und Autoren

„Sei Rilke oder finde einen Job!“
Otto Horvath

Liebe Autorinnen und Autoren,

Eure Texte haben Fürsprecher gefunden. Eure Texte haben sich gegenüber 600 anderen durchgesetzt. Ihr habt geslesen, ihr konntet einem großen Publikum Eure Texte präsentieren. Das ist ein riesiger Schritt. Herzlichen Glückwunsch!

Nun wollt Ihr veröffentlichen, Ihr wollt also Teil des Literaturbetriebs sein? Schaut Euch kontinuierlich die Programme der Verlage an, knüpft Kontakte zu Lektoren. Überlegt, wo Ihr welches Buchprojekt anbieten könnt. Die Zeit der Autorenverlage, in der Verleger bei finanziellem Notstand einen Autor durchgefüttert haben, ist vorbei, ebenso die Zeit, in der ein einziger Verlag ein komplettes Werk veröffentlichte. Seid eigenständig, bleibt eigenständig, seid beweglich, holt Euch Hilfe. Grenzt Euch ab und vermeidet übermäßigen Kontakt zu Kritikern, das macht hässlich. Kriecht niemandem in den Hintern und schleimt nicht, das macht auch hässlich. Findet einen Job, der Euch finanziell absichert, verdient auf anderen Gebieten. Schreibt weiter! Bildet Banden! Findet Vertraute! Verschickt an Zeitschriften und andere Wettbewerbe. Macht aufmerksam auf Euch! Ihr wisst schon wie! Euch fällt was ein, sicher! Bleibt bei Euch oder findet raus, was Eure Sache ist. Schreibt, was Ihr schreiben wollt. Wenn es der Markt nicht will, ist der Markt der Überzeugung, es nicht verkaufen zu können. Wenn der Markt es will, habt Ihr ein Produkt, dass ihr auch so verkaufen solltet.

Wahrscheinlich wird jeder von Euch ein Buch veröffentlichen können, bald oder später. Manche auch ein zweites, wenige ein drittes, viertes. Sehr wenige werden den Beruf des Schriftstellers, der kein Beruf ist, annehmen. Laut Definition ist ein Beruf die im Rahmen einer arbeitsteiligen Wirtschaftsordnung aufgrund besonderer Eignung und Neigung systematisch erlernte und mit Qualifikationsnachweis versehene, dauerhaft gegen Entgelt ausgeübte spezialisierte Tätigkeit eines Menschen.

Die meisten werden sich irgendwann fragen, warum eigentlich die viele Arbeit, der große Kraftaufwand für das wenige und unregelmäßige Geld? Manche werden beginnen, Auftragstexte für Zeitschriften und Zeitungen zu schrieben. Manche aber werden von Verlagen abgelehnte Manuskripte in einem Ordner sammeln, Manuskripte, die zu Büchern werden sollten, Büchern, die Leser gefunden hätten, Bücher, die das Leben grundsätzlich ändern, die das große Ding werden sollten, Bücher, die das Selbstverständnis als Schriftsteller gefestigt hätten.

Ich war Ende der Neunziger in einer Berliner Bande. Ein Drittel der Bande hat aufgehört zu schreiben oder schreibt nur für sich, warum auch nicht. Die, die einen bürgerlichen Beruf angenommen haben, verdienen mehr Geld als die, die weiter geschrieben haben. Überlegt, was ihr mit Euren Ideen und Eurem Handwerk machen könnt. Denkt andere Wege. Wenn auch das nicht klappt, verdient woanders Geld. Ist das eine Zumutung, ja, das ist eine Zumutung.

Literatur kann eine Welt erfinden, sie kann die bestehende beschreiben, sie kann sie in Frage stellen, sie angreifen. Das ist gut. Schreibt weiter.

 

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